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offen gestanden, daß seine Gemeinde im Ganzen ihm nicht gefolgt wäre.

 Die Elemente des Freikirchenthums sind in unseren Landeskirchen vorhanden; die Nothwendigkeit desselben kann sich als Gewissenspflicht der Kirche oder durch den Drang äußerer Verhältnisse, etwa durch den Druck auf die Fürsten von Seiten kirchenfeindlicher Kammermajoritäten und einen dadurch herbeigeführten Verzicht auf den Summepiskopat, obwohl letzteres uns nicht wahrscheinlich dünkt, über kurz oder lang ergeben; aber Freikirche und Volkskirche sind uns Gegensätze. Mit der Freikirche sind auch unleugbar besondere Gefahren verbunden, so die Gefahr einer gewissen pietistischen Verengerung des Blicks und der Aufgabe, einer einseitigen Verfolgung der praktischen Ziele und einer Verkümmerung des theologisch-wissenschaftlichen Lebens der Kirche – alles eine Mahnung für sie, zu dem folgenreichen Schritte nur durch die Rücksicht auf das Bekenntniß und ihre wesenhaften Güter überhaupt, nicht auf die Unvollkommenheiten ihrer Verfassung sich drängen zu lassen.

 Von großer Bedeutung war uns, daß in vorliegender Frage ein Mann, der sonst keine zu große Anhänglichkeit an das Bestehende und geschichtlich Ueberlieferte an den Tag legt, Professor Beck in Tübingen, einer ähnlichen Anschauung wie die hier entwickelte zugethan ist. Er sagt in der Schrift: Kirche und Staat und ihr Verhältniß zu einander S. 47 zwar, Staatskirchen könnten nicht als christliche Kirchen im wahren Sinne auftreten, aber sie dürften auch nicht schlechthin verdammt und der Auflösung entgegengeführt werden, und fügt dann bei: „Es bleibt ihnen immer das, daß sie in unseren gesellschaftlichen Zuständen die Zugänglichkeit des Christenthums für Alle vermitteln und daß sie die einzigen Träger und Organe sind für das dem Staate und der menschlichen Gesellschaft überhaupt unentbehrliche religiöse Element und für die sittliche Zucht. – – Mit dem Fall der politischen Kirchen fallen unsere Gesellschaften, unsere Staaten und Gemeinden selbst, da dieselben in ihrer ganzen geschichtlichen Gewordenheit in die Verbindung mit der Kirche verwoben sind. Dieß unterscheidet unsere Verhältnisse von den nordamerikanischen. Unsere Volksmassen und