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kirchlichen Ordnung zu entwöhnen. Die Civilehe erscheint hier lediglich als terroristisch gehandhabtes Mittel widerkirchlicher Agitation. Solche Mittel zu fördern, hat die Kirche keinen Beruf. Wer mit der Kirche völlig zerfallen, der möge austreten, auch als Ausgetretenem wird ihm unter den modernen staatlichen Verhältnissen sein Recht werden. Es entspricht aber ganz jener mehr und mehr auftretenden wundersamen Vereinigung souveräner Verachtung der Kirche und ihrer Ordnungen und doch gelegentlich wieder mit Ostentation kundgegebener Inanspruchnahme der Rechte kirchlicher Gemeinschaft, wenn man auf der einen Seite die kirchliche Trauung verschmäht und doch auf der andern sich die Gliedschaft der Kirche für seine besonderen Zwecke vorbehält. Man spricht viel von Trennung von Kirche und Staat, huldigt aber praktisch vielfach der Idee einer unbedingten Identifikation beider Gebiete und möchte diese Idee nach Maßgabe eines im Dienste des Egoismus stehenden Utilitätsprinzips ausbeuten. Mit der kirchlichen Trauung fällt mehr als man häufig glaubt; es fällt eine kirchliche Institution weiter, es wird das Volksgewissen verwirrt, welches bisher an ein Zusammengehen von Obrigkeit und Kirche für seine wesentlichen Lebensbeziehungen glaubte, es kann die Stellung der Kirche dem Halb- und Unglauben gegenüber statt erleichtert nur noch mehr erschwert werden. Hiebei wollen wir nicht leugnen, daß bei einem hochgestiegenem Grad von Entkirchlichung des Volkes, bei Zuständen, wie sie z. B. Wichern in jenem Vortrag schildert, die Civilehe als Forderung sich geltend machen kann, der die Kirche sich nicht entschlagen darf; und daß dieselbe jedenfalls ein richtigeres Auskunftsmittel bei unleidlich gewordenen Schäden sein dürfte als eine anders gestaltete Confirmationspraxis. Wir geben von Zezschwitz vollkommen Recht, wenn er (Katechetik I, S. 719) sagt: „Freilich muß man sich sagen, daß die Unterscheidung von kirchlicher und von Civilehe, ein so trauriges Zeichen der Zeit sie ist, unseren Landeskirchen von andern Seiten ohnedieß aufgedrungen werden, und sogar für Erhaltung des Friedens von Staat und Kirche ein letzter, schmerzlicher, aber unvermeidlicher Auskunftsweg sein wird.“ Es ist möglich, daß die Civilehe nunmehr bald im ganzen deutschen