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Heidenthum schon ausgesprochen findet. Nach letzterer aber jene bestimmen zu wollen, wäre ebenso übereilt, als nach Joh. 5, 28. 29 und Röm. 2, 6–10 ausschließlich den Wesenscharakter des Christenthums zu bezeichnen. Es erscheint als gründliche Verkehrung Justin’scher Anschauung, wenn v. E. S. 249 diese so darstellt: die Hoffnung auf Gott macht gerecht, insofern als sie zu Leistungen anspornt, die Gott zur Bedingung des Lohnes gemacht hat, auf den man hofft. Daß die Hoffnung nur an denen sich realisirt, die sie festhalten auch unter den äußersten Drangsalen und Aufopferungen, lehrt auch die Schrift (cf. Beck, Christl. Liebeslehre I, S. 49), und im Kern und Wesen hat Justin nichts anderes gelehrt. Selbstverständlich mußte er, wenn er vom Standpunkt der Hoffnung auf das christliche Leben betrachtete, großen Nachdruck auf die Heiligung, auf die Werke, besonders auf das Bekenntniß und das Martyrium legen; die Schrift thut es auch, Matth. 24, 13; Hebr. 10, 23 ff. 35 ff. Jener Gedanke ist aber, konsequent verfolgt, geradezu unerträglich. S. 472 werden als die einzigen religiösen Momente des christlichen Lebens bei Justin „allenfalls“ die Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott und die Hoffnung auf dieselbe bezeichnet; ganz dasselbe behauptet Harnack in der angeführten Recension. Aber wenn die Hoffnung Justin’s, die sich auf die Vollendung des Einzelnen wie die der Gemeinde in einem ewigen Reich bezog (I, 11), nicht Schwärmerei ist, sondern auf Realität sich gründet, so trägt sie das ganze Christenthum in sich, den Gott des Heils, das vollbrachte Heil, und die Aneignung dieses Heils im Glauben. v. E. sagt mit Recht (S. 473), die Hoffnung lasse sich nicht als Leistung fassen; wenn die Hoffnung aber keine Leistung ist, dann ist es auch der Glaube nicht, wie v. E. so oft behauptet, denn der Glaube trägt ja bereits das Moment der Hoffnung in sich (Hebr. 11, 1) und die Hoffnung ist der ausgewirkte, nach dem Ziele der Vollendung sich ausstreckende Glaube. Die Hoffnung wird als religiöses Motiv bezeichnet (S. 473), sie ist dies aber doch in anderem Sinne als ein ethisches Motiv zur Erreichung eines ethischen Ideals überhaupt; sie ist eine lebendige Geisteskraft, in der sich die Welt der Zukunft bereits spiegelt, auf welche sie sich stützt. Es ist bei Justin nicht so, wie es v. E. darstellt, daß er eine Heilszukunft ohne Heilsgegenwart lehrte. Mag diese auch über Gebühr zurücktreten, sie ist schon in der Sündenvergebung und Wiedergeburt gegeben. Allerdings

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.10.2017)