Seite:Adolf von Stählin - Justin der Märtyrer.pdf/22

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

seiner Zeit ohne alle Frage auf der Höhe der in ihr vorhandenen christlichen Bildung steht! Es gibt ja auch keinen annehmbaren Sinn, daß die Sünde der Einzelnen das Verfallensein des „Geschlechts“ unter die Mächte des Todes und der Finsterniß bewirkt habe; letzteres erscheint vielmehr als eine abgeschlossene Thatsache, wie auch durch das Tempus ausgedrückt ist; die Thatsünde, die immerhin des Einzelnen Schuld ist, kommt nur zu derselben hinzu und entwickelt sich aus ihr. Die Stelle erinnert unmittelbar an Röm. 5, 14. Justin lehrt nicht blos einen geschichtlichen, sondern ursächlichen Zusammenhang zunächst der Todesherrschaft im Menschengeschlechte mit dem Falle Adam’s, was z. B. auch Landerer zugibt (Verhältniß von Gnade und Freiheit, Jahrb. f. d. Theol. II, S. 519). Die Todesgemeinschaft setzt aber doch auch irgendwelche Sündengemeinschaft voraus, da Sünde und Tod an sich im Verhältniß von Ursache und Wirkung stehen (Dial. 100. 124). Ist das Menschengeschlecht unter die Verführung (nicht Irrthum, wie v. E. übersetzt) der Schlange gerathen, so muß etwas in dasselbe gekommen sein, wodurch es für die feindliche Macht verführbarer geworden ist; dies erklärt Baur ausdrücklich für die Anschauung der ersten Kirchenlehrer, auch Justin’s (Dogmengesch. I, S. 586); hiermit ist aber die volle Uebereinstimmung mit Apol. I, 8 nach unserer Fassung gegeben. Neander sagt geradezu: Justin betrachtet die Herrschaft der Sünde und des Todes als Folge der ersten Sünde (Dogmengesch. I, S. 197; vergl. auch Lange a. a. O. I, S. 177; Rößler a. a. O. S. 167; theilweise auch Weizsäcker a. a. O. S. 105). Was sollte auch nach dem dortigen Zusammenhang die als unnütz zurückgewiesene Frage: konnte Gott nicht sofort eine Vielheit der Menschen schaffen? (Dial. 102), wenn Justin nicht von der Voraussetzung ausgeht, daß, nachdem Gott den Menschen als Einen geschaffen, mit der Sünde des Einen auch die Sünde des Geschlechts gegeben war? Die Stelle Dial. 124: sie aber, Adam und Eva ähnlich, ziehen sich den Tod zu, widerspricht all dem durchaus nicht, weil hier nicht von Sünde und Tod im Allgemeinen, sondern von der Sünde der Verschmähung des Heils und vom ewigen Tode, von der Verdammniß die Rede ist. Von letzterer redet der Schluß des Kapitels ausdrücklich.

.

 Thomasius wird doch so Unrecht nicht haben, wenn er in seinem „Origenes“ (S. 76) unter Anführung auch Justin’s behauptet: „Die Folge der ersten Sünde betreffend lehrten die Väter fast einstimmig,

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.10.2017)