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durch das alte natürliche Gesetz, das sie im Herzen geschrieben in sich trugen, gerechtfertigt worden sind, so darf doch auch hieraus nicht geschlossen werden, daß nach der Anschauung dieses Kirchenvaters das Christenthum nichts Neues gebracht habe, während gerade er es als Neuschöpfung und die novitas als wesentlichen Charakterzug desselben betrachtet.

 Anzunehmen, daß Justin bei „sündlosem Leben“ an völlige Heiligkeit denkt, ist an sich nicht nothwendig, verbietet sich aber, wenn man weiß, daß er Christum den allein unbefleckten und sündlosen nennt (Dial. 110); einfach und richtig sagt Otto: „Besonders verlangt J. frommen Wandel nach der Taufe, damit das, was in der Taufe erlangt worden, nicht verloren werde (Ersch u. Gr. Bd. 30. S. 73).“ Er nimmt hier im Gegensatz zum heidnischen Sündenleben den idealen Standpunkt ein wie Johannes (1 Brief 3, 6). Daß ferner unter dem Bade zur Vergebung der Sünden die Taufe zu verstehen sei, und nicht wie v. E. meint, die Selbstreinigung, ist an sich, aber auch im Hinblick auf Dial. 13 unzweifelhaft, wird auch von Otto bestätigt.

 Daß Justin die volle Einsicht in die Dinge, um welche es sich hier handelt, nicht hat, ist uns eben so gewiß, als daß v. E. zu weit geht, wenn er ihn beschuldigt, er habe gar keine Ahnung von dem Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium gehabt (S. 250). Was er hier gegen Justin sagt, daß ihm das alte Gesetz in seinen allgemein gültigen Bestimmungen mit dem neuen Gesetze übereinstimme, trifft, wie öfter, die Schrift selbst. Denn das Gebot der Liebe ist die dem a. und n. T. gemeinsame ethische Forderung. Vieles spricht v. E. absolut aus, was nur in relativer Fassung berechtigt erscheint. So ist J. die volle Einsicht in die heilsgeschichtliche Bedeutung des jüdischen Volkes ohne Zweifel abgegangen, daß er sie aber gar nicht zu würdigen weiß (S. 171), ist unbegründet; den Vorwurf der Gedankenlosigkeit verdient er in dieser Richtung durchaus nicht. Justin geht allenthalben den heilsgeschichtlichen Wegen Gottes nach; er redet Dial. 130 von der Zerstreuung der Völker und der Erwählung Israels; er führt c. 131. 132 die ganze Geschichte Israels an Trypho vorüber; das dort Gesagte erinnert völlig an die Rede des Stephanus, nur lautet es fast milder als diese, weil J. zuletzt Israel der Barmherzigkeit Gottes befiehlt und den Trypho der Fürbitte der Christen versichert. Ap. I, 53 erscheinen [d]ie Heiden als ganz fern von Gott, während Juden und Samariter

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.10.2017)