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Gottes Wort haben und Christum erwarten. Der Gott der Patriarchen ist der Gott des Bundes, welcher in Christo von Israel auf die Heiden übergeht; die Christen hoffen auf denselben Gott wie Israel (Dial. 11); Justin leitet Christus genealogisch aus Israel ab (Dial. 43); Gott gedenkt noch seiner Todten aus Israel (Dial. 72). Es ist unrichtig, was wir S. 388 lesen, daß zwischen Justin und Barnabas in Beurtheilung des jüdischen Volkes kein Unterschied bestehe. Ja von dem, was hier v. E. sagt, dürfte das gerade Gegentheil wahr sein (vergl. Ritschl a. a. O. S. 301). Barnabas erkennt gar keine Bundesschließung an. Seltsam ist allerdings Justin’s Erklärung des Ritus der Beschneidung; was er aber sonst über das Ritualgesetz sagt, ist so unrichtig nicht (vergl. Nitzsch a. a. O. S. 118). Justin ist im Einzelnen ungerecht gegen Israel, aber durchaus nicht feindselig, weit milder als Barnabas und der Verfasser des schönen Briefs an Diognet. Dem die Christen verfluchenden Israel ruft er zu: Wir hassen euch nicht, sondern beten, daß ihr alle Buße und Barmherzigkeit erlangen möchtet (Dial. 108). Der Dialog mit Trypho schließt mit Gebet für Israel.

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 Man muß sagen, Justin’s Schwäche als christlichen Theologen ist auf anthropologischer Seite, auf dem Gebiete der Heilsaneignung und der Heilsordnung gegeben, obwohl auch hier seine Kritiker ihm nicht ganz gerecht werden. So hat Ritschl, dessen Ausführungen sonst sehr umsichtig sind, Dial. 44 u. 95 als Beweis völligster Verkehrung der Sache angeführt (a. a. O. S. 304 f.). Die erstere Stelle erledigt sich von selbst, in der zweiten ist von Vergebung der Sünden unter der Bedingung der Buße, des Glaubens und der Erfüllung der Gebote die Rede. Die Sündenvergebung geht hier aber offenbar auf die Zukunft, was auch in der Schrift hier und da geschieht, wie denn Justin Dial. 92 auch sagt, wir hoffen durch Glauben und Herzensbeschneidung gerecht und Gott wohlgefällig zu erscheinen, was ebenfalls eschatologisch gemeint ist. Was die mehr objektive Seite des Christenthums betrifft, so hat er sich derselben weit sicherer bemächtigt. Aber auch dort hat Justin, wie wir glauben nachgewiesen zu haben, die biblisch kirchlichen Spuren im Allgemeinen nicht verloren. Bei v. E. kommt aber die Sache so zu stehen, daß Justin die Lehren des Christenthums nach der subjektiven Seite geradezu in ihr Widerspiel verkehrt, nach der objektiven wenigstens die stärkste Alteration sich zu Schulden kommen läßt. Der Grund von dem

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.10.2017)