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Gottes ginge, entgegen zu treten – die Grundlage seines Gottesbegriffs ist die ethische Bestimmung (a. a. O. S. 75). Auf Grund der bekannten, allerdings sehr einseitig transcendental lautenden Stelle Dial. 127 spricht v. E. sogar davon, daß der Gott Justin’s von dem Geschaffenen lokal getrennt sei (S. 81), aber gewiß mit Unrecht; die biblisch-christliche Gottesidee ist auch hier nicht aufgegeben (vergl. Semisch a. a. O. II, S. 252 f.; Weizsäcker a. a. O. S. 77). Der Ausdruck ist allerdings roh und unbeholfen (vergl. Böhringer a. a. O. S. 206). Vor allem müssen wir aber Eines bemerken: Wer sich wirklich bekehrt, sei es im 19., sei es im 2. Jahrhundert, der reformirt gar Vieles, reformirt unter anderem auch seinen Gottesbegriff, d. h. seine innerste Anschauung über Gott; er bekehrt sich nicht zu der absoluten Transcendenz und Substanz, sondern zu dem lebendigen persönlichen Gott, dem heiligen und gerechten, dem gnädigen und barmherzigen. Im letzten Grund ist auch Justin nicht auf spekulativem, sondern auf ethischem Wege zum Christenthum gekommen. Seine Bekehrung war nicht so gewaltig scheidend zwischen Altem und Neuem, nicht so tief einschneidend, wie z. B. die Augustin’s, das macht sich allenthalben geltend; aber es war doch eine wirkliche Bekehrung. Justin ist als Christ nicht Heide geblieben, er hatte mit der Ueberzeugung, daß auch Platon’s Philosophie zu den höchsten ethischen Zielen nicht verhelfe, das letzte Bollwerk, welche das Heidenthum in seinem Innern noch hatte, zerstört (vergl. Semisch I, S. 15). „Nur dort“, lesen wir S. 469, „wo man auf Grund der erfahrenen Erlösung an den persönlichen Gott glaubt, hat man den Begriff des absolut überweltlichen und außerweltlichen und doch zugleich des weltmächtigen und ihr gegenwärtigen Geistes gewonnen.“ Es ist dies gegen Justin gesagt; wir wenden es aber auf Justin an, da Justin an diesen Gott glaubt, denn „er hat Vergebung der Sünden und lebt das Leben eines Wiedergeborenen (S. 486)“. Nach v. E. hätte J. einen Gottesbegriff, der unter dem Platonischen steht, sofern er das Letzterem eignende Moment der Immanenz verleugnet (S. 467). In Wahrheit paßt, was v. E. von Justin’s Gottesbegriff sagt, weit mehr auf den Philonischen als auf diesen. Er sinkt freilich auch unter diesen, sofern Philo eine unmittelbare Berührung Gottes mit dem Geweihten lehrt trotz seines Deismus, während nach v. E. Justin eine solche für den Gläubigen in diesem Aeon nicht kennt (vergl. Philo in Herz. R.-E. XI, 586 f.).

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.10.2017)