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des Christenthums gesagt, sondern gerade dieser Ausdruck zeigt, daß Justin das Christenthum nicht blos als Lehre vom Wesen Gottes (S. 98), wie denn das ταῦτα in c. 23 klar auf die in c. 22 u. 21 berichteten Heilsthaten zurückweist, sondern auch als solche faßt. Das Christenthum ist Justin wenn auch nicht begrifflich doktrinär, aber nach seiner ganzen klar vorliegenden Anschauung Lehre von Thatsachen, nicht weniger als z. B. dem Irenäus. Der Sache nach ist es ganz richtig, wenn Dorner die angeführte Stelle so erklärt: „Der Zweck seiner Erscheinung war die Umwandlung und Emporführung des Menschengeschlechts (Lehre von der Person Christi I, S. 417).“ Der Aeußerung S. 176: „Auf Erden ist sein Beruf ausschließlich Belehrung über die Gerechtigkeit und Frömmigkeit“, widerstrebt der wirkliche Justin ganz entschieden. Hätte v. E. hierin Recht, so hätte man Justin seither ganz falsch verstanden. Duncker z. B., auf welchen v. E. sich S. 463 beruft, sagt a. a. O. S. 1133: „Das in Christo tatsächlich erschienene Heil ist die Grundvoraussetzung und der Ausgangspunkt seines gesammten Strebens und Wirkens, und er erkennt darin das neue Lebensprinzip, das heilend, umwandelnd und vollendend auf die kranke, unvollkommene Welt einwirken soll etc.“ Das große Wort οἰκονομία braucht Justin im Sinne des erfüllten Rathschlusses von der Menschwerdung und dem Leiden Christi, wie von beiden zugleich (Dial. 45, 103, 67). Menschwerdung und Leiden Christi hängen bei Justin auf’s Genaueste zusammen. Ganz treffend bemerkt Weizsäcker: „Ueberhaupt ist es der wesentlichste Gesichtspunkt für die Fleischwerdung, daß Christus dadurch παθητός geworden ist (a. a. O. S. 114).“ Dagegen ganz unrichtig v. E.: „Justin konnte dem Tode Christi nur insofern Bedeutung abgewinnen, als er ihn in unmittelbare Beziehung zur Verherrlichung des Erlösers setzte.“ Nach J. hat Christus in seinem Tode für das ganze Menschengeschlecht die Flüche aller auf sich genommen (Dial. 95). Gerade die dortige Auseinandersetzung ist charakteristisch für die Behandlung des dogmatischen Stoffes von Seiten Justin’s; er hebt das Gegensätzliche und scheinbar Widersprechende hervor, ohne beides klar innerlich zu vermitteln und auf eine einheitliche Anschauung zurückzuführen. Nach J. hat Christus den Fluch des gesammten Geschlechts getragen, und doch war seine κατάρα eine δοκοῦσα, d. h. er war kein gottverfluchter Sünder im Sinne Tryphon’s. Mit großer Entschiedenheit ohne alle Berücksichtigung dessen, was

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.10.2017)