Seite:Adolf von Stählin - Justin der Märtyrer.pdf/67

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auch Weizsäcker, obwohl er z. B. meint: die Bedeutung des Todes Christi kann von Justin „kaum“ anders denn als eine symbolische aufgefaßt werden (a. a. O. S. 115), geht lange nicht so weit, wie v. E. Es kann wenigstens einen ganz richtigen Sinn haben, wenn er sagt: „Das Dogma auf dieser Stufe der Entwickelung (der apologetischen) muß daher auch mit der entsprechenden Einseitigkeit behaftet sein“ (S. 64). Ein besonderes Verdienst ist es aber, daß der Genannte das Moment der Hoffnung als ein in der Theologie Justin’s durchschlagendes hervorhebt. Sehr richtig ist, was wir am Schlusse lesen: „Es ist nicht sowohl der kirchliche Glaube als solcher und die bewußte Autorität der Ueberlieferung, welche demselben (dem philosophischen Element) Schranken setzt, als vielmehr gerade der Standpunkt, welchen Justin mit der nachapostolischen Kirche theilt und auf welchem die christliche Zukunftserwartung in ihrer festen Gestalt das Alles überwiegende Moment bildet (a. a. O. S. 119)“. Der eigentliche Lebenspuls seiner Theologie und seines Christenthums ist die christliche Hoffnung. Hiermit ist die beständige Behauptung v. E.’s, daß bei Justin die Grenzen von Frömmigkeit und Gerechtigkeit verwischt und beide nur als Leistungen neben einander hergehen, allein schon widerlegt. Gerade in der Hoffnung zeigt sich die volle innere Einheit des religiösen und ethischen Moments bei Justin, sofern hier alle sittlichen Lebenszwecke einem höchsten, dem vom hoffenden Glauben erfaßten, verheißenen Gute des ewigen Lebens und eines mit der Zukunft Christi gegebenen ewigen Reiches unbedingt sich unterordnen. Hiermit ist auch die harte Kluft, welche nach v. E.’s Anschauung zwischen der dogmatischen und ethischen Seite der Justin’schen Theologie trotz aller Bemühung, auch jene ihres christlich-kirchlichen Charakters möglichst zu entkleiden, bestehen bleibt, ausgefüllt. Justin hat die Lehre von der Rechtfertigung in ihrer centralen Bedeutung nicht erkannt; daß er die Sache gar nicht kenne, ist damit natürlich nicht gesagt (vgl. Thomasius, Dogmengeschichte I, S. 113); er kennt ja eine wirkliche Sündenvergebung in der Taufe; durch den Empfang dieser ist er gerechtfertigt. Er streift auch nicht selten ganz nahe an die Lehre von der Rechtfertigung, so in der schönen Stelle Dial. 47: die Güte und Liebe Gottes und sein unermeßlicher Reichthum sieht den von der Sünde sich Bekehrenden wie einen Gerechten und Sündlosen an. Durch die Hoffnungslehre selbst ist aber der stärkste

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.10.2017)