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Glaubenslehre bezeichnet, so wird man die Dogmengeschichte fernerhin ganz anders auffassen müssen und wirklich auffassen, als bisher geschah, was auch bereits ganz offen angekündigt wird. Da aber das unbefangene Urtheil, wie wir es theilweise bei v. Engelhardt selbst sehen, doch wieder den Justin’schen Lehrbegriff ganz nahe an den neutestamentlichen rücken muß, so muß und wird die Anschauung von dem sachlich bestimmenden Einfluß einer heidnisch-jüdischen Philosophie und Metaphysik auf die Theologie der Kirchenlehrer auch auf die neutestamentlichen Urkunden ausgedehnt werden, wozu freilich schon genug Ansätze gegeben sind. Neben der Entwerthung des christlichen Glaubensbegriffs ist uns die hiermit eröffnete Perspektive das Bedenklichste in dem Buche v. Engelhardt’s, so reich das Maß des wirklich Fördernden und Anregenden in demselben anderweitig auch sein mag.

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 Wir können nicht umhin, im völligen Gegensatz zu v. Engelhardt zum Schlusse Worte von Thiersch aus dessen nunmehr vergriffenem Buche: Versuch zur Herstellung etc. (S. 282 f.) anzuführen, weil wir in demselben wesentlich unsere Anschauung wieder finden und sie vielleicht auch Einiges zur richtigen Würdigung Justin’s beitragen: Thiersch redet an jenem Orte von dem fremdartigen Eindruck, den die Kirchenväter zunächst auf ihn machten und fährt dann fort: „Er erinnert sich wohl, wie sonderbar es ihm Anfangs erschien, hier nichts von jenen Wahrheiten zu finden, welche die Quelle seines ganzen religiösen Lebens bildeten, nichts von dem Wege, den der Sünder zu betreten hat, um zum Frieden zu gelangen und der göttlichen Gnade gewiß zu werden, nichts von Christi Verdienst als der alleinigen Ursache der Vergebung, nichts von der immerwährenden Buße und dem stets neuen Schöpfen aus dem Quell der freien Gnade, nichts von der hohen Zuversicht des gerechtfertigten Christen. Statt dessen fand er, wie alles Gewicht gelegt wurde auf die Menschwerdung des göttlichen Logos, auf die richtige Erkenntniß des großen Gegenstandes der Anbetung, auf das objektive Mysterium der Trinität und der Menschwerdung, auf den Zusammenhang der Schöpfung, der Erlösung und der einstigen Wiederherstellung des Geschöpfes in der Verklärung auch der menschlichen Leiblichkeit, auf die Freiheit des Menschen und auf die Realität der göttlichen Gnadenwirkungen in den Sakramenten. Allein es ward ihm nicht allzuschwer, sich in diese ganze Denkweise hineinzuleben, und mit Festhaltung des wahren

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/69&oldid=- (Version vom 1.10.2017)