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Phil. V, S. 296), und Dorner von einem echt speculativen Zuge desselben redet (Lehre von der Person Christi I, S. 420), mißt v. E. selbst Justin nur eine oberflächliche Kenntniß der griechischen Philosophie zu (S. 447) und spricht wohl auch von dessen Gedankenlosigkeit (S. 172). Was die kirchlich-theologische Stellung und gesammte Geistesrichtung Justins anlangt, so ist derselbe für die neuere Theologie zum wahren Proteus geworden. Die Frage, ob er Juden- oder Heidenchrist gewesen, spaltet sie in zwei Lager; Credner und Schwegler stehen auf der einen, Neander, Dorner, Semisch, Otto, Duncker, Ritschl auf der anderen Seite. Eine mehr mittlere Stellung nehmen Baur, Overbeck, Hilgenfeld ein. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Frage näher einzugehen. Wir erachten es für ein Verdienst v. E.’s, daß er mit aller Entschiedenheit die Ansicht vertritt und sie in überzeugendster Weise vertheidigt, daß Justin im Boden des Heidenchristenthums wurzele. Wie verschieden sind aber auch von dieser Basis aus die Anschauungen! Während von Otto sagt, Justin stehe auf dem Grunde des biblisch-traditionellen Bekenntnisses der Kirche und erscheine als kräftiger Vertreter der apostolisch-katholischen Kirche seiner Zeit und gehöre zu den gemäßigten, ächt apostolischen Heidenchristen (Just. der Apol. in der allg. Encycl. von Ersch u. Gruber XXX, S. 64; auch Sitzungsb. etc. S. 178) und sein Platonismus halte sich durchaus auf der Basis des Christenthums (a. a. O. S. 63), Semisch I. zu den bedeutendsten Rüstzeugen der Kirche rechnet (Piper, Ev. Kalender, III. Jahrg. S. 69), Duncker seine große Beweglichkeit rühmt, die ihn befähigte, im „apostolischen Sinne des Worts“ den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche zu werden (Zur Gesch. der christlichen Logoslehre, Göttinger Studien 1847, II, S. 1129), von den katholischen Theologen abgesehen, unter denen Möhler ganz im Anschluß an Ceillier ihn nicht genug als Vertreter der Kirche in Lehre und Leben rühmen kann (Patrologie S. 234 u. 219) und die, so viel wir wissen, auch heute noch für ihre Lehre von Opfer und Wandlung auf Justin sich berufen, muß man sich bei v. E.’s Darstellung immer und immerwieder fragen, ob denn nach ihr Justin überhaupt noch Christ sei, da er ja das ganze Christenthum, soweit er nicht blos dessen Formeln sich aneignete, wie schon das Vorwort kund gibt, in heidnisch philosophischem Sinne umdeutete. Im Schlußresumé wird J. ganz als Heide geschildert (S. 482 f.). Und wenn gleichwohl, nach unserem

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.10.2017)