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Eindruck in einer mit dem Vorausgesagten schwer zu vereinigenden Weise S. 485 gesagt wird: J. war Christ und Heide zugleich, so ist Ad. Harnack in seiner rühmenden Anzeige des Werks in der Schürerschen theol. Literaturzeitung (1878, Nr. 26) mit allem zufrieden: Der Theologe ist ihm nichts als Metaphysiker, J. hat seine alte Metaphysik lediglich in das Gewand einer geschichtlichen Betrachtung der Welt gehüllt; das Christenthum der Apologeten erscheint zunächst als identisch mit der sog. idealistischen Metaphysik und Ethik des Zeitalters, nur daß die gemeine mythologische Grundlage durch eine andere ersetzt ist; Justin’s Denkweise ist heidnisch, das genuin Christliche hat er nicht verstanden; nur meint Harnack, daß auf Grund der eigenen Ausführungen des Verf. wenige den Satz unterschreiben werden, daß J. sich die religiös-sittliche Denkweise des Christen im Prinzip angeeignet habe und das unvorsichtige Urtheil: J. hat die Vergebung der Sünden und lebt das Leben eines Wiedergeborenen, hätte wohl wegbleiben dürfen. Also auch das Wenige, was im Grunde genommen v. E. zu Gunsten des christlichen Charakters Justin’s anführt, wird hier bestritten und ziemlich offen als Selbstwiderspruch bezeichnet. Ausdrücklich werden auch die Schlußbemerkungen S. 484–487, wo v. E. Justin als Christen zu rehabilitiren sucht, nur sehr bedingt für richtig gehalten und bemerkt, daß der Ertrag des Buches jedenfalls nicht darnach zu bemessen sei. Alles, was Justin an Mystischem und Mythologischem aufnahm, urtheilt Harnack, hat er rationalistisch entwerthet. Nur einen authentischen christlichen Gedanken hat sich J. angeeignet, den der christlichen Vorsehung und Weltregierung. Gott ist J. nur die personifizirte Substanz, ist Gott nur in dem Sinne, daß er nicht Welt ist. Aehnlich urtheilt auch Herrmann (Die Religion im Verhältniß zum Welterkennen und zur Sittlichkeit S. 96), ohne Zweifel vor Allem auf J. zielend, die altkatholische Theologie habe in ihren ersten Anfängen eine begriffswidrige Verbindung zwischen der christlichen Weltanschauung und einer Metaphysik gestiftet, die in allen ihren Formen im Grunde eine aus praktischen Antrieben erwachsene Theologie des Heidenthums gewesen sei. Während man also früher geneigt war, J. als möglichst entschiedenen Judenchristen und Ebioniten zu fassen, ist man jetzt theilweise dahin gekommen, ihn nicht blos als Heidenchristen zu betrachten, was wir für völlig richtig halten, sondern ihn auch als einen noch in wesentlich heidnischen

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.10.2017)