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Höhe erreicht, dass an nichts anderes mehr zu denken war. Fragen wir, wie es hiezu gekommen, so ist zu erwidern, nicht durch die besonderen Gebrechen der bayerischen Landeskirche, so sehr wir diese nicht ableugnen oder mindern wollen, wenigstens durch diese nicht allein. Wir gestehen zu, dass sie nicht bloß an den Schäden des Landeskirchentums überhaupt litt, sondern dass manches in ihrer Verfassung und der kirchlichen Praxis nach der konfessionellen Seite sehr reformbedürftig war; sie hatte sich aber früher als die meisten deutschen Landeskirchen durch ein glückliches Zusammenwirken verschiedener Potenzen der Herrschaft des Rationalismus entwunden; das lutherische Bekenntnis, welches rechtlich nie abrogirt worden war, war mehr und mehr zu tatsächlicher Geltung gelangt; ein Mann wie Scheibel hatte den lutherischen Charakter der bayerischen Landeskirche anerkannt; Ranke erzält in seinen Jugenderinnerungen, dass er bereits im Jare 1826 als Pfarrer von R. verpflichtet worden sei, die reine Lehre des göttlichen Wortes in Übereinstimmung mit den Bekenntnisschriften der ev.-luth. Kirche treu und eindringlich zu verkündigen; seit dem Jare 1841 war die ordinatorische Verpflichtung auf das Bekenntnis der Kirche förmlich eingefürt worden; Thomasius redet in seinem bekannten Werke: Das Wiedererwachen des ev. Lebens in der luther. Kirche Bayerns, von einer Erneuerung der luther. Kirche längst vor dem Jare 1848; die bayerischen Generalsynoden hatten vom Jare 1823 an, wo die erste abgehalten worden ist, eine immer entschiedenere kirchliche Physiognomie angenommen. Löhe hat im Jare 1837 selbst an Huschke geschrieben: „Für Verhältnisse, wie die unsrigen im bayerischen Vaterland sind, bleibt freilich nichts übrig, als sich mit der Krone unserer Kirche, dem reinen Wort und Sakrament, zu begnügen. Dass wir diese im schönsten Glanze tragen dürfen unverwehrt, hat mich erst herzlich getröstet etc.“

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 Der Grund zum Kampf gegen die Landeskirche lag tiefer; er lag in dem Gegensatz gegen das Landeskirchentum überhaupt. Mit diesem war Löhe zerfallen; es war der Konflikt zwischen Idee und Wirklichkeit, der ihm allenthalben in den faktischen Zuständen entgegentrat, unter welchem er unsäglich litt. Löhe hat tiefer als andere in die Schäden des Volkslebens und der Kirche geblickt;

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/23&oldid=- (Version vom 12.9.2016)