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der christlichen Warheit zu füren. Sein Einfluss war so tiefgehend, dass nicht wenige seiner Schüler in freiem Trieb zu regelmäßigem Besuche seiner Nachmittagspredigten sich entschlossen. Aus dieser Lehrtätigkeit ging die treffliche Schrift: „Grundlinien zum Religionsunterricht an den mittleren und oberen Klassen gelehrter Schulen“ hervor, welche die weiteste Verbreitung in und außerhalb Bayerns fand.

 Für Thomasius bildete diese Tätigkeit die unmittelbare Überleitung zum akademischen Lehramt. Seine stille Sehnsucht ging auf letzteres, so tiefe Befriedigung er auch in seinen bisherigen Ämtern gefunden. Unter dem 11. März 1842 wurde Thomasius zum ordentlichen Professor der Dogmatik an der Universität Erlangen ernannt. Fakultät und Kirchenregiment hatten sich einstimmig für ihn erklärt.

 Thomasius’ Berufung nach Erlangen bezeichnet einen eigentümlichen Wendepunkt nicht bloß für ihn selbst, sondern auch für die Fakultät, deren Mitglied er geworden war, und die ganze Landeskirche. In den Jaren seiner praktischen Wirksamkeit hatte sich innerhalb der letzteren eine denkwürdige innere Umgestaltung vollzogen. Zur selben Zeit, als Thomasius die Universität verließ, begann ungefär die tief einschneidende Wirksamkeit Kraffts auf das jüngere Geschlecht, und ganz in demselben Jare erstand in dem homiletisch-liturgischen Korrespondenzblatt von Brandt eine geistesmächtige Reaktion gegen den herrschenden Rationalismus aus der Mitte der Geistlichkeit selbst. Wie von selbst strebte das neu erweckte Leben in einer von Haus aus lutherischen Kirche, die von einer Union nie berürt war, einer konfessionellen Ausprägung zu, ja trug schon in der Wurzel den lutherisch-kirchlichen Charakter. Thomasius hat diesen selbsterfarenen Prozess in dem oben angefürten Buch anschaulich beschrieben (S. 244 ff.). Wir standen, sagt er dort, mit unserem Glauben in dem Centrum der Kirche, weil in articulo justificationis. So waren wir Lutheraner, noch bevor wir es wussten; one auf die konfessionelle Eigentümlichkeit unserer Kirche und one auf die konfessionellen Unterschiede, die sie von anderen trennt, viel zu reflektiren, waren wir es faktisch. So sind wir Lutheraner geworden frei von innen heraus. Befördert

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)