Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/60

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dogmas und unbedingter Repristination einer theologischen Form und Darstellung desselben einzunehmen bestrebt ist, zum öfteren gezeichnet. So äußert er sich etwa: „nie haben wir die Theologie des 16. und 17. Jarhunderts dem festen kirchlichen Bekenntnis gleichgestellt, nie haben wir sie als abschließende Normen und Grenzen theologisch-kirchlicher Wissenschaft angesehen, sondern uns stets eine freie Stellung zu ihnen bewart. Vorwärts haben auch wir gewollt auf allen Gebieten der Theologie, nur keinen solchen Fortschritt, der die alten Grundvesten erst abbricht, keinen solchen, der lediglich in der Luft schwebt, sondern einen Fortschritt auf dem guten alten Grunde, d. h. einen organischen Fortschritt (das Widererwachen des evangelischen Lebens in der lutherischen Kirche Bayerns, S. 285 f.)“; oder: „ich lebe mit meiner Theologie nicht sowol auf als in dem Bekenntnis der Kirche und erachte mich an dasselbe mit meiner Theologie gebunden, darum weil ich in dem Bekenntnis meiner Kirche den Ausdruck meines persönlichen Glaubens mit Dank und Freude erkenne. Mit dem Bekenntnis der Kirche ist mir aber die ältere, auf ihm ruhende Dogmatik, deren Bedeutung ich hoch genug anschlage, nicht dasselbe, und damit unterscheide ich mich wesentlich von dem Standpunkte derer, welche nach der strikten Übereinstimmung mit letzterer die Kirchlichkeit aller theologischen Leistungen messen und an denselben Kanon alle diejenigen Theologen, die auf Kirchlichkeit Anspruch machen, binden zu dürfen, ich weiß nicht was für ein Recht zu haben glauben. Ich weiß mich überhaupt im Hause meiner Kirche nicht als ein Knecht, sondern als ein Kind und finde in diesem Stande beides, die Gebundenheit der Pietät und die Kindesfreiheit (Dogmatik III, 1. S. V)“.

.

 Seine ganze Kraft hat Thomasius auf die Christologie selbst verwendet und den angegebenen theologischen Standpunkt gerade für dieses Gebiet energisch geltend gemacht. Seine Lehre von der Kenosis nicht des Menschgewordenen, sondern des Menschwerdenden hatte Epoche machende Bedeutung. Sie berürte sich unmittelbar mit dem tiefsten theologischen Streben des 19. Jarh., die geschichtliche und dogmatische Seite der Lehre von der Person Christi in inneren Einklang zu bringen. An der früheren dogmatischen Anschauung haftete

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/60&oldid=- (Version vom 31.7.2018)