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ziehen sich durch die ganze Geschichte des Dogma hindurch, selbst Brenz findet in einer Predigt die Entäußerung in gewissem Sinne bereits in der Menschwerdung (kurze Auslegung der Sonn- und Festtagsepisteln, herausgegeben von Grunwald S. 133). Wenn es sich um die Frage der Übereinstimmung der Kenosislehre mit dem Bekenntnis der lutherischen Kirche handelt, so darf nicht aus dem Auge gelassen werden, dass die Konkordienformel es für die Christologie zu einem in sich ganz abgeschlossenen, harmonischen Resultate nicht gebracht hat und die innerste Intention des kirchlichen Bekenntnisses von dessen theologischer Form unterschieden werden muss. Jedenfalls ist aber mit Recht gesagt worden, dass man mit gewissen Gesetzesparagraphen des Bekenntnisses sich den Weg fortschreitender dogmatischer Erkenntnis nicht verbauen lassen dürfe. Unmöglich erscheint uns, die altlutherische Christologie geradezu zu repristiniren, wärend auf der anderen Seite die Annahme einer allmählichen Ineinsbildung des Göttlichen und Menschlichen in Christo – beides wurde Thomasius entgegengesetzt – das eigentliche Mysterium one Frage noch weniger erreicht. Es ist aber gewiss auch Thomasius’ innerste Meinung getroffen, wenn Martensen mit Liebner und Dorner bekennt, „in Übereinstimmung mit jenen Männern, die seit den Anfängen der Kirche über Gottes Menschwerdung nachgesonnen haben“, „dass, welche tiefsinnigen Gedanken hier die Spekulation auch zutage fördere, dennoch ein Mysterium übrig bleibe, das kein menschlicher Verstand durchdringen, das man allein im Glauben aneignen könne (Aus meinem Leben III, 189)“. Und ebenso werden die sogenannten Kenotiker mit ihrem bedeutendsten Gegner, dem trefflichen Dorner, in dem schönen Worte übereinstimmen: „wir stammeln an diesem Mittelpunkte der Wunder. Aber nur durch Stammeln lernen wir reden. Und das Wort, das Fleisch ward, wie es Gottes höchste Rede an die Menschheit ist, will auch die immer vollkommenere Erkenntnis, die immer treuer abspiegelnde und die immer einstimmigere Rede von Ihm wirken, ja sie als dankende Antwort der im Glauben seligen Menschheit vernehmen und annehmen“.

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 Nicht wenig wurde auch gegen die Trinitätslehre von Thomasius eingewendet. Das Zeugnis muss ihm jedoch gegeben werden,

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/64&oldid=- (Version vom 31.7.2018)