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neuen Testaments; für das neue Testament benützte er die griechischen Interpreten und machte Auszüge aus ihnen. Einleitungswissenschaftliche, archäologische, kabbalistische und philologische Studien gingen nebenher. Später gab er sich mit besonderer Vorliebe den pensées Pascal’s, der ihm auch „le createur du style francais“ war, hin und übersetzte sie in’s Deutsche.

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 Noch vor letzterer Beschäftigung war in Harleß’ Innern eine Umwandlung vorgegangen, welche er nicht nach ihren Anfängen, aber nach dem entscheidenden Wendepunkt uns beschrieben hat. Die Worte der Schrift: Joh. 5, 44; 7, 16. 17 hatten ihn wie ein Blitz getroffen, sie waren wie eine zerschmetternde Gewalt über ihn gekommen. Sie deckten ihm wie mit einemmale den Abgrund seines Herzens und die Verkehrtheit seiner Wege auf: „Nach Menschenlob und Menschenehre hatte ich mehr gegeizt, als nach der Ehre, die von Gott allein ist. Wie sollte es da zu warhaftigem Glauben an das Kreuz Christi kommen, welches den Griechen eine Torheit, den Juden aber ein Ärgernis ist? Auf den Wegen der Spekulation hatte ich gesucht, die Warheit zu erkennen, statt einfach den Willen dessen zu tun, der den eingebornen Son als den Weg, die Warheit und das Leben gesandt hat“, so sagt Harleß selbst. In der theologischen Privatgesellschaft bei Tholuck hatte er dies Bekenntnis abgelegt; auf dem Heimweg fülte er es wie ein vor Gott und Menschen abgelegtes Gelübde, nunmehr andere und neue Wege zu wandeln. Die Anziehungskraft der früheren geistigen Irrwege war und blieb von nun an gebrochen. Das Forschen in der Schrift ward mehr vom Gebet um das Leben, das von Gott kommt, denn von dem Durst nach Wissen getragen. „Wer wissen will, um zu wissen, der ist ein Thor“ – dieses Wort Joh. Wessel’s war Harleß zum Walspruch geworden. Harleß selbst hat diese entscheidende Umkehr der menschlichen Vermittlung Tholuck’s zugeschrieben. Tholuck hat sein Herz in die Schule genommen und ein Schüler dankbaren Herzens ist er ihm für alle Zeit geblieben: „So vielfach auch später unsere Wege auseinandergehen mochten, so danke ich doch ihm, menschlich geredet, die Freiheit, meinen Weg eben nicht bloß nach dem Weg anderer Menschen einzurichten“. In einem curriculum vitae vom

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/81&oldid=- (Version vom 31.7.2018)