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Lebensfäden seines Ursprungs und seiner Existenz, sein nicht römisch-katholisches, wol aber christlich-katholisches Element mit Liebe und Pietät zu pflegen. Er hätte sich keinen lutherischen Theologen denken können, dem es versagt gewesen wäre, unter den Vätern der älteren Kirche, unter den Theologen der Blütezeit des Mittelalters, ja selbst unter den verschiedenen späteren Gemeinschaften abweichenden Bekenntnisses Wal- und Geistesverwandte zu finden und sie zu lieben. Seine scharfe Art hatte nichts von Eklektizismus an sich; aber sein Warheitssinn und sein liebevolles Herz konnte ihn nicht blind gegen die kirchlich gemeinsame Wurzel verborgenen Lebens aus Gott machen, aus welcher jene über den ganzen Erdkreis verstreuten Zweiglein (sparsi per totum orbem) warhaftiger Christenheit, warhaftigen Gottesvolkes hervorwachsen. Nichts zwar stand ihm ferner als die gemachten Versuche künstlicher und nivellirender Unifikation. Aber das hätte er auch nicht über sich gewonnen, das Messer zu ziehen und den Leib der Christenheit mit dem Spruche zu vierteilen: Hie Tag und drüben Nacht. Er konnte trotz aller Entschiedenheit herzlichen Geistesaustausch mit Reformirten pflegen, wie es ihm wol ebenso wenig an Freunden unter aufrichtigen Gliedern der römisch katholischen Kirche gefehlt hat. Wo aber solche Beziehungen warhaften und bleibenden Wert haben, da bilden sie sich eben nie und nirgend auf dem Boden der Verschwommenheit oder richtiger auf der Bodenlosigkeit des Indifferentismus, sondern auf dem Felsengrunde jener wankellosen Entschiedenheit, welche zugleich des apostolischen Warseins in Liebe (ἀληθεύειν ἐν ἀγάπῃ) fähig ist. Das verstand Raumer, und daher der Eingang, der ihm zu so vieler und verschieden gearteter Herzen offen stand“. Harleß hat mit diesen Worten wie von selbst sein eigen Bild aufs schlagendste gezeichnet.

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 Harleß hatte je länger je mehr den Gedanken gefasst, das akademische Lehramt als künftigen Lebensberuf zu erstreben, worin eine ihm selbst nicht recht erklärliche und unüberwindlich scheinende Scheu vor dem Predigen ihn bestärkte. Im Jare 1828 begab er sich von Halle nach Erlangen zurück, um sich als Privatdocent der Theologie zu habilitiren. Er musste aber nach

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)