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jesuitischer Bestrebungen lange Zeit untrennbar verbunden zu sein schien.

 Am 4. Juni 1836 wurde Harleß zum ordentlichen Professor ernannt mit der Auflage, auch über christliche Moral, theologische Encyklopädie und Methodologie zu lesen. Harleß war wie wenige des Katheders mächtig; strömende Fülle und schneidende Dialektik boten in seinem Vortrag sich die Hand; er sprach rasch und fließend, von einem herrlichen, sonoren Organ unterstützt, mit ungemein viel Feuer und Leben. Dabei war er eine imponirende Erscheinung, ein Bild männlicher Schönheit. Krafft und Harleß waren diejenigen, welche Anfang der dreißiger Jare in Erlangen bestimmend auf die angehenden Theologen wirkten. Der letztere hatte die besuchtesten Kollegien; gerade im Anfang war er nicht bloß sehr präcis, sondern auch sehr klar und fasslich. Man hing mit großer Liebe, ja Bewunderung an ihm und schloss sich an seine kirchlichen Anschauungen an, die im Boden des lutherischen Bekenntnisses wurzelten, aber von einer ausgesprochenen Frontstellung gegen reformirtes und unirtes Kirchentum durchaus ferne waren.

 Diese Hingebung an Harleß schloss nicht aus, dass man Krafft’s Gottesdienste fleißig besuchte, welche überhaupt der Sammelpunkt aller derer waren, die es mit dem Christentum ernst nahmen, dessen Christenlehren in seinem Hause beiwonte und sein Pastorale hörte. Der Unterschied zwischen Harleß und Krafft trat in den Augen wol aller um so mehr zurück, als letzterer in der Abendmalslehre wesentlich der lutherischen Anschauung zugetan war. Auf Krafft’s Kanzel predigte damals auch Löhe. Harleß stand zu Krafft in einem befreundeten, pietätsvollen Verhältnis; er und sein Schwager Rudolf Wagner fehlten in seiner Kirche nie. Harleß hielt der im Jare 1833 verstorbenen Gattin Krafft’s die Leichenrede. Er versammelte in jener ersten Zeit auch in seinem Hause einen Kreis von Studirenden um sich; zuerst wurde über wissenschaftliche Gegenstände freie Unterhaltung gepflogen; zuletzt spielte Harleß auf dem Klavier und überließ sich wol auch one Noten ganz und gar seinem musikalischen Genius. Er sah es änlich wie Tholuck gern, dass man ihn auf seinen

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)