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fest sein Wort; Himmel und Erde vergehen, aber seine Worte vergehen nicht; bleibt treu eurem evangelischen Glauben und erbauet euch immer mehr auf demselben! Laßt euch nicht blenden durch jenen Geist des Irrthums und der Lüge, der von keinem höhern Ziele der Menschheit weiß, als wie es beschlossen liegt in diesem irdischen Dasein mit seinen Gütern und Genüssen, aber auch seiner Qual und Mühsal, der weder das Herz unseres Gottes in seinem wunderbaren Liebeszug zu uns, noch das eigene, das Menschenherz mit seinem Zuge zu Gott und seinem Sehnen nach Erlösung kennt! Bleibt treu eurer Kirche! Felsenfest steht ihr Grund; auch die Pforten der Hölle können ihn nicht überwältigen.

 Mein Bekenntnis sei heute beim Abschied ein freudig entschiedenes, aber

 

II.

 auch ein demüthig dankbares.

 So tief mein Herz heute den Schmerz der Trennung empfindet, so ist es doch zugleich voll Lobes und Dankes. Wofür soll ich aber meinem Herrn zunächst danken? Nicht dafür, daß er mich auch diese dritthalb Jahre das Evangelium verkünden ließ, das, wie der Apostel sagt, „eine Kraft Gottes ist, die da selig macht?“ Ist das nicht selbst etwas Seliges? Ist es nicht ein hoher, herrlicher Beruf, andern ein Gehilfe zu sein, das Evangelium am eigenen Herzen als eine solche Gotteskraft zu erfahren, ein Gehilfe seligster Freude zu sein? Es ist freilich etwas Großes, was hier vom Evangelium ausgesagt wird, von einem Worte, das von Menschenlippen erschallt, daß es als Gotteskraft in das Menschenherz niedersteige und hier ein Gottesleben schaffe. Aber, Geliebte, dieß Wort hat solche Kraft, weil es eben Gottes Gedanken und Gottes Thaten verkündet, weil es mit der Anziehungskraft göttlicher Liebe die Herzen emporzieht, weil es der Träger des heiligen Geistes ist, der unsere Herzen erneuern und beseligen will. Der Apostel hat es an sich selbst erfahren. Er kann von der Kraft des Evangeliums gar nicht reden, ohne zugleich in demüthigstem, dankbarstem Preise