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mühseliges und unseliges Geschöpf, hereingestellt zwischen eine schmerzensreiche Geburt und ein ödes, finstres Grab, in sich ein Meer von Sorge und Furcht, um sich viel Kampf und Streit und Trübsal, vor sich das ernste Gericht und die gerechte Vergeltung.

 Und da tönt nun in die mühselige, verlorene Menschenwelt eine wunderbare Botschaft herein, die Licht, Kraft, Trost, Frieden schon jetzt für diese Zeit anbietet und mittheilt, und ewige Seligkeit und Herrlichkeit darnach uns verheißt, die die Kräfte der zukünftigen Welt jetzt schon einsenkt und in dem hienieden uns geschenkten Maß derselben zugleich ein Pfand ihrer vollen und vollendenden Mittheilung bietet. Diese Botschaft tritt an den erschrockenen Sünder mit dem Trostwort heran: dir sind deine Sünden vergeben, ruft auch dem Angefochtensten und Beladensten zu: verzage nicht, größer als alle Wucht des Leidens, größer auch als dein kleinmüthiges, verzagtes Herz ist Gottes Liebe und Erbarmung, wie sie in Jesu Christo auch dir gilt, weist den Sterbenden auf den, der durch seinen stellvertretenden Tod die Schuld bezahlt und durch seine Auferstehung die Ewigkeit zur lichten Heimath gemacht hat. Diese Botschaft wandelt die Furcht vor dem verdienten Gericht, der verschuldeten Verdammniß in den Jubel einer ewigen Erlösung, in die Zuversicht auf ein ewiges Erbe. Und diese Botschaft ist — das Evangelium von Jesu Christo.

 Dieß Evangelium durfte auch ich euch, Geliebte, verkünden, und habe es euch als einer verkündet, der in ihm selbst die Kraft, den Trost, den Frieden seines Lebens gefunden. Wir haben kein sittliches Recht, seine seligmachende Kraft der Gemeinde anzupreisen, wenn wir sie nicht selbst an unserm Innersten erfahren haben. Wir sollen predigen im Drang der erfahrenen Liebe Christi. Wo aber Christus das Herz füllt, da schweigt der Selbstruhm, und tritt demüthiger Dank an seine Stelle. Der Geistliche hat nur zu geben, was er empfangen hat. Ihm besonders auch gilt das Wort: Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast,