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es um so mehr, als er in seiner eigenen Lehrthätigkeit fast alle Fakultäten vereinigte, er hat durch seine akademische Thätigkeit die sämtlichen Disziplinen in innige, freundliche Beziehung zur neuen, reformatorischen Theologie gesetzt.

 Wollen wir dabei nicht vergessen, wie viel, wie unablässig Luther, auch hier wieder im allgemeinen grundlegend, für Schule und im engsten Zusammenhang damit für Haus und Familie ratend und mahnend durch mündliches Wort und herrliche Schriften, vor allem das gewaltige Schreiben an die Ratsherren aller Städte Deutschlands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen, vom Jahre 1524, gewirkt hat! Man könnte ihn den Seelsorger seines Volkes auch nach dieser Seite hin nennen, während Melanchthon der große Lehrer Deutschlands ist und bleibt.

 Döllinger sagt von Luther, „keiner hat seinem Volke mehr gegeben als jemals in christlicher Zeit ein Mann seinem Volke gegeben hat: Sprache, Volkslehrbuch, Bibel, Kirchenlied, und alles, was die Gegner ihm zu erwidern oder an die Seite zu stellen hatten, das nahm sich matt und kraft- und farblos aus neben seiner hinreißenden Beredsamkeit, er redete, sie stammelten.“ Luther lebt in all dem unter uns fort, wie in so vielen seiner Worte, die gesättigt vom Geiste der Schrift, quellend aus lebendigster Erfahrung, in ihrer wunderbaren Anschaulichkeit, ihrer phantasievollen und zugleich konkreten Gestaltung wie ein frischer Labetrunk zumal unter Not und Anfechtung auf uns wirken. An unmittelbarer Volkstümlichkeit steht Luther weit über Melanchthon. In so manchem lebt aber auch Melanchthon, sei es mittelbar oder unmittelbar, unter uns Evangelischen fort, vor allem in der Konfession, die von ihm verfaßt und hier in Augsburg am 25. Juni 1530 nachmittags 3 Uhr überreicht wurde. Spalatin äußerte sich über dies Ereignis: „An diesem Tage ist der allergrößten Werke eines geschehen, die je auf Erden geschehen.“ Wir müssen dies bestätigen; die Größe eines Werkes bemißt sich auch nach der Größe der geschichtlichen Situation, unter welcher es vollbracht wurde. Unwillkürlich erheben wir uns bei der Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag auf eine gewisse weltgeschichtliche, kirchengeschichtliche und geistliche Höhe. Das 16. Jahrhundert war wie kein anderes von der religiösen Idee

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Adolf von Stählin: Philipp Melanchthon. J. A. Schlosser, Augsburg 1897, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Philipp_Melanchthon.pdf/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)