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Feier bürgen. Wer gedächte heute nicht der großartigen Geburtstagsfeier, die vor 14 Jahren zu Ehren unseres Luther über alle Länder und Weltteile sich verbreitete, einer Feier, wie sie kaum je einem Sterblichen zuteil geworden! Ganz in der gleichen Weise feiern wir diesmal nicht. Eine herrliche, erhebende Feier soll die Melanchthonfeier, denke ich, aber gleichwohl werden. Ueberall hat man sich zu derselben gerüstet, unzählige Federn haben sich in Bewegung gesetzt, Melanchthons Bild uns in lebendigen Zügen vor Augen zu stellen. Wie könnte Augsburg zurückbleiben? Das größte und segensreichste, wahrhaft unsterbliche Werk Melanchthons ist an Augsburg geknüpft – ich meine die von ihm verfaßte Augsburger Konfession. Wir denken aber heute nicht bloß an die kirchlichen Segnungen, die von Melanchthon ausgegangen, von denen jedes Kind bei uns etwas weiß. Der Gefeierte war eben aber nicht bloß ein Mann der Kirche, sondern auch der Schule, auch der Wissenschaft. Als charaktervoller Vertreter dieser drei Lebensmächte ragt er in die Gegenwart herein. Diese Lebensmächte haben auch dies zu Ende gehende Jahrhundert in großartiger Weise bewegt und bewegen es noch. Unsere Lebensinteressen sind heute noch mit denen Melanchthons tief verknüpft. Was freilich bei uns oft in tiefen Gegensätzen auseinandergeht, war bei Melanchthon ebenso charakteristisch durch das Evangelium innig, harmonisch geeint. Darum steht er vor uns auch als eine ehrwürdige, mahnende Friedenserscheinung. Vergessen wir aber eines nicht: halten wir die zarte Grenzlinie auch heute ein, an welche der Christ gerade bei dankbarster Erinnerung an geschichtlich hervorragende Männer gebunden ist. Soli deo gloria, Gott allein die Ehre, soll der Grundton auch dieser wenngleich nicht streng kirchlichen Feier sein. Die Himmel erzählen die Ehre Gottes. In den Lobpreis der Natur mischt sich aber noch in höhern Klängen die Geschichte als Verkündigerin göttlicher Herrlichkeit. Am Firmament der Geschichte leuchten auch Sonnen und Sterne; heute freuen wir uns in Luther und Melanchthon eines Doppelgestirns, das auf fernste Geschlechter erleuchtend und erwärmend gewirkt, und auch auf uns erleuchtend und erwärmend wirken möge. Beide sind Gottes Werk, Gott hat sie bei Namen gerufen, er hat sie mit seinen Gaben ausgerüstet,

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Adolf von Stählin: Philipp Melanchthon. J. A. Schlosser, Augsburg 1897, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Philipp_Melanchthon.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)