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Erde verwiesen, gezwungen, auch unter der Erde ihre Tempel zu bauen, in großer Geduld das Erdreich erobert. Oft hat sie in der Hitze der Anfechtung die Frage der Jünger wiederholt: „Herr, wirst du auf diese Zeit wieder aufrichten das Reich Israel (Apostelg. 1,6)?“ Sie lebte, sie duldete, sie blutete in der siegesfreudigen Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn. Er kam nicht in sichtbarer Herrlichkeit, aber was allen weit unglaublicher war als die sichtbare Wiederkunft des Herrn, was keiner der Lehrer und Blutzeugen der alten Kirche zu hoffen gewagt, geschah: der Inhaber der Weltmacht, der römische Kaiser, legte sein Verfolgungsschwert dem Gekreuzigten zu Füßen, wurde selber Christ und Bekenner. So ward die Geduld gekrönt, aber auch der Geduldssinn der Gemeinde Christi auf neue schwere, wenn auch anders geartete Proben gestellt und oft genug in Welt- und Herrschersinn verkehrt. Weltreich und Gottesreich reichten einander die Hand, bald auch Kaisertum und Papsttum, die großen Schöpfer einer neuen, der mittelalterlichen Welt. Oft genug wurde jetzt an die Stelle der alten Losung: vorwärts in Geduld, heidnischen Völkern gegenüber die andere gesetzt: vorwärts mit dem Gesetz des Zwangs, mit dem Schwerte der Unterdrückung. Um so ehrwürdiger sind uns aber die Männer, denen die Mission des Schwerts selbst das tiefste Leid bereitete, und die nicht aufhörten, mitten unter dem kriegerischen Getöse der Zeit und der traurigen Verkehrung des Evangeliums des Friedens in ein Zwangsgesetz äußerer Herrschaft der Mission des Kreuzes, der Mission der Geduld das Wort zu reden und sie selbst in bewundernswerter Selbstverleugnung zu üben. Die Geduld hatte damals doppelten Preis. In großer Geduld haben der edle, tiefinnerliche Ansgar, der nach gewaltigem Wirken im Norden unseres Vaterlands und Weltteils mit den Worten starb: Gott sei mir Sünder gnädig, der im Thun und Leiden nicht zu ermüdende Vizelin, ein Sendbote unter den nördlichen Slaven, der apostolisch eifrige und wirksame Otto von Bamberg, der Bekehrer der Pommern, ihre Ernte eingebracht. Geduld bis zum Tode wollten der liebeglühende Adalbert von Prag, der ideal gerichtete, für Völkerbekehrung begeisterte Bruno von Querfurt bewähren, bis sie unter den wildesten der Heiden, auf altpreußischer Erde ihr Blut als Märtyrer der Mission verspritzten. Geliebte, das Christentum Deutschlands ist die Frucht größter Geduld, einer Arbeit der Geduld, welche ein Jahrtausend überragt; wer zählt all die Friedensboten, deren Füße die deutsche Erde gesehen, deren Schweiß und Blut sie getrunken!

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 Und nun seht euch, Geliebte, die Missionskarten unserer Tage an! Welche Strecken und Weiten, wo alles noch schwarz ist, begraben in tiefe Nacht des Heidentums! Wie kleine rote Inseln liegen sie da, die Stationen und Stätten, wo der Name Jesu, des Hochgelobten genannt wird. Wie lange wird es währen, bis das uns stammverwandte Hinduvolk ein christlich Volk geworden! Die Mission ist und bleibt eine große Schule der Geduld. Es kostet Geduld, oft Jahre lange Geduld, bis eine einzelne Seele auf frischem Missionsfeld dem Ruf des Evangeliums sich öffnet; es kostet Geduld, die junge Missionspflanze zu bewahren unter Störung und Anfechtung einer feindseligen Umgebung, sie auszuwurzeln aus dem alten