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Boden heidnischer Gewöhnung, sie einzusenken in den neuen Lebensgrund christlicher Gemeinschaft; Geduld, die einzelnen Seelen zu Gemeinden zu sammeln; Geduld, die Gemeinden unter Schwachheit und Versuchung zu erziehen zu christlicher Selbständigkeit; es kostet geduldiges Warten, bis die einzelnen Seelen und einzelnen Gemeinden sauerteigartig das Leben des Volkes durchdrungen haben und das Alte in ein Neues verwandelt ist.

 Und dann, Geliebte, wir dürfen es nicht verschweigen: das ganze Weh der kirchlichen Gegenwart zieht mit hinaus auf den Kampf- und Arbeitsboden der Mission. Was wäre die Mission, wenn eine in sich geschlossene, von dem gleichen Missionsdrange all ihrer Glieder beseelte Kirche sie trüge! Nun lernen die Heiden mit dem Christentum häufig gar bald auch die traurige Zerrissenheit seiner Bekenner kennen, nun wollen Gegensätze, welche die evangelische Kirche durchziehen und an denen wir uns in der Heimat müde arbeiten, fast auch dem friedlichen Gebiete der evangelischen Mission nahe rücken, nun wird von einer Seite über die ganze evangelische Mission, der wahrlich der Beweis des Geistes und der Kraft nicht fehlt, gerade gegenwärtig in betrübendster Ungerechtigkeit der Stab gebrochen, nun gefährden solche, welche den Namen Christi tragen, aber seine Kraft verleugnen, wie oft durch eigene Sünden, durch himmelschreiende Sünden, begangen an Heiden und neugewonnenen Heidenchristen, den mühsam aufgeführten Bau der Mission.

 Doch, Geliebte, auf dem Gebiet des göttlichen Reiches ist mit der freudigsten, hoffnungsreichsten Begeisterung für Gottes Werk stets auch das tiefste Weh über menschliche Gebrechen und menschliche Sünde verknüpft, welche dies Werk stören und trüben. So war es, so ist es, so wird es bleiben; es steht aber auch in Kraft Pauli Mahn- und Trostwort: „seid geduldig in Trübsal“. Es gilt dies Wort bei dem Doppelblick auf Kirche und Mission: wir müssen beide zusammenschauen in ihrem gemeinsamen Kampf, ihrem gemeinsamen Weh für die gemeinsame Arbeit der Geduld. In der Geduld beugen wir uns in Demut vor unserem Gott, werden klein, arm und gering. Als Christen müssen wir das Kreuz der Kirche der Gegenwart tragen und es uns dienen lassen nicht bloß zum Gericht über andere, sondern vor allem zu demütig innerlichem Selbstgericht. In all unseren Kirchenarbeiten, Kirchennöten, Kirchensorgen haben wir immer wieder nur das eine zu bekennen: nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.

 Wenn wir vor uns selber immer kleiner, und Christus uns immer größer wird; wenn die Widerstandskräfte daheim und draußen, alle Schwankungen des Schiffleins Christi auf unruhiger, tief erregter Meerfahrt uns nur immer tiefer hinein in den überschwenglichen Reichtum der Macht und Gnade Christi, zu immer festerem Umfassen seines Kreuzes treiben; wenn alles Fragen und Irren auf religiösem, aller Kampf und Gegensatz, alle Zerrissenheit und Zerbröckelung auf kirchlichem Gebiete uns nur zu immer größerer Treue gegen den Herrn und sein unvergängliches Wort aufrufen; wenn die brennende Jesusliebe uns im Herzen wohnt und ihren Wiederhall findet in dem lebendigen, begeisterten, glaubensmutigen