Seite:Adolf von Stählin - Predigt über Röm. 12,12.pdf/15

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wollen. Darum wollen wir heute in festlicher Stunde uns ein: „aufwärts im Gebet“ gegenseitig zurufen. Es sind ja gewiß Seelen genug unter uns, die es mit tiefster Beugung rühmen, daß nur Gottes unverdiente Erbarmung und das Gebet sie bis zu dieser Stunde getragen haben. Aber kommen wir denn in unseren Gebeten von unsern persönlichen, wenn auch geistlichen Anliegen hinein in die großen Reichsgedanken und Reichszwecke unseres Gottes? Ist das nicht gerade das Große bei dem Apostel, daß das Persönliche und Amtliche, das Besondere und Allgemeine so ganz in einander übergehen? Blicken wir nicht zu viel einwärts, anstatt alle Tage uns kleiden zu lassen in das strahlende Gewand der Gerechtigkeit Christi und dadurch neugestärkt frisch und fröhlich Kampf und Arbeit wieder aufzunehmen? Nicht zuviel rückwärts, statt das Gute, das wir durch Gottes Gnade thun durften, in den Schätzen Gottes, aber auch Untreue und Versäumnis in dem Abgrund göttlicher Barmherzigkeit ruhen zu lassen, nicht zu viel erdwärts, auf die scheinbar krummen Wege und wirren Pfade im irdischen Pilgerlauf der Kirche, statt zu der ewigen Harmonie des göttlichen Heilsrats und dem unwandelbaren Lichte der göttlichen Verheißung uns zu erheben? Darum vor allem: aufwärts im Gebet! Ist das Gebet nicht die Macht, die uns mit Gott eint und alles Widrige zwischen ihm und uns beseitigt? Ist aber Gott für uns, wer mag wider uns sein? Kann unsere Sache stille stehen, wenn sie Gottes Sache geworden ist? Darum aufwärts im Gebet! Ist das Gebet nicht die Macht, die uns unter einander eint? Wäre nicht ein ganz anderer Geist der Liebe und Einigkeit unter uns, wenn wir mehr mit einander und für einander beteten? Einheit, Einheit prediget uns der heutige Tag; in wahrer Geisteseinheit sollen Gottes Werke getrieben werden. Wäre unter uns nicht weniger Streit und Hader, weniger Urteilen und Verurteilen, weniger Sünde gegen das 8te Gebot, wenn mehr Gebet und Fürbitte unter uns waltete? Darum aufwärts im Gebet! Unsere Kirche steht inmitten der Wahrheit, wie keine andere. Ist’s aber gerade ein Vorzug von ihr, daß der Bruderzwist so laut durch ihre Hallen tönt in alter und neuer Zeit? Unsere Einheit ist weit größer, als sie oft nach Außen erscheint. Wird sie aber nicht auch mehr in die Erscheinung treten, wenn wir fleißiger für einander, mit einander vor dem Throne Gottes uns versammeln? Darum aufwärts im Gebet, im Gebet, das da lautet: Dein Name werde geheiliget. Dein Reich komme! Gottes Reich komme immer mehr zu uns; denn die Heimat, unsere Gemeinden, unser Volk geben wir nicht auf; wir wollen vielmehr für sie ringen und beten in heißer Liebe; Gottes Reich komme immer mehr zu den armen Heiden, bis es kommt, kommt in großer Kraft und Herrlichkeit! Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet! Amen.