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jemand sie stören wollte. Es wäre aber auch Undank gegen Gott, der uns zu einem einigen Volke gemacht, wenn wir uns in innerem Hader und Parteikampf verzehren wollten. Wo wahres Leben ist, ist auch Gegensatz und Unterschied der Meinung und Richtung; im weiten deutschen Reich haben dieselben Raum und ist Platz zu freier Bewegung. Aber alle Gegensätze müssen sich unterordnen einer höhern Einheit, der Furcht Gottes und der selbstverleugnenden Liebe zum Vaterland, und dürfen, ohne dem Ganzen zu schaden, nicht ausarten in giftigen Parteihader und bittere, grollende Feindschaft. Doch habe ich davon nicht viel zu sagen; jeder arbeite an sich selbst, kämpfe gegen die eigene Selbstsucht und Unlauterkeit! Es walte Friede im deutschen Reich, Friede auch zwischen den Confessionen! Wohl ist es ein Unglück, daß die Kirche nicht geeint ist. So lange aber verschiedene Kirchen bestehen, sollen sie einander tragen in Demuth und Liebe. Wir müssen protestiren gegen alte und neue Irrthümer Roms; wir können aber doch das Gute, welches die katholische Kirche hat, und das Gemeinsame, was uns mit ihr verbindet, anerkennen und so viel an uns ist, in Frieden mit ihr leben. Keiner Aufgabe ist, zu herrschen, jede soll mit dem ihr anvertrauten Pfunde der Gemeinde und dem Volke dienen, gegenseitig sollen sie wetteifern in Verkündigung des Wortes vom Heil und in Werken christlicher Liebe.

 Neue Aufgaben erwachsen jetzt auch der Kirche, vor allem unserer Kirche. In neuer Treue, in neuem Ernst, in neuer dienender und gewinnender Liebe soll sie das Panier ihres Glaubens erheben, soll ihre Thore weit aufthun und laden die Nahen und die Fernen und in der Beweisung des Geistes und Kraft das Wort verkünden, welches der Seelen Heil und Seligkeit ist, und ewiglich bleibt. Neue Aufgaben erwachsen dem Christen. Er hat jetzt um so mehr die Pflicht, mit seinem Pfunde zum Heile anderer zu wuchern, sein Licht leuchten zu lassen und der Welt zu zeigen, daß Patriotismus und Christenthum gar wohl sich mit einander vertragen. Neue Aufgaben haben wir alle, und doch sind es zugleich nur die ewig alten der Treue, der dankbaren Hingebung an Gott, des selbstverleugnenden Dienstes an dem Nächsten um Gottes und des Gewissens willen. Der Patriotismus soll sich nicht blos zeigen auf der Rednerbühne und in der Volksversammlung, sondern vor allem in der treuen, ernsten, dem Ganzen geltenden Arbeit in dem Beruf, in den Gott uns gestellt hat. Da sollen wir in aller Stille unsere Saaten in Hoffnung streuen, Gott wird sie segnen und zu reicher Frucht aufsprießen lassen. So manche Saat der Art ist im deutschen Volke gestreut worden und in den letzten Monaten herrlich vor aller Augen aufgegangen.