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Namen verdient, das wahre, völlige Leben in der Gemeinschaft mit Christo? Was ist denn dieß gesammte irdische Leben mit seiner tausendfachen Noth? Ein tiefes, schweres, banges Räthsel ohne Ihn. Was ist der Mensch ohne Ihn? Sich selber ein großer, tiefer Widerspruch: dieß Gebilde von Staub, dem die Ewigkeit ins Herz gepflanzt ist, das nach einer himmlischen Heimath aufschaut und doch gebunden ist von den schweren Banden der Sünde und des Todes. Was ist das Sterben ohne Ihn? Ein entsetzliches, ein grausiges Gericht und Geschick. Aber in Ihm ist die Lösung aller Räthsel, ist Friede, der höher denn alle Vernunft, ist eine über die Noth des Lebens und die Schrecken des Todes triumphirende Freude, ist Vergebung der Sünden, ist Leben und Seligkeit zu finden.

 O lasset darum, Geliebte, den Lebensstrom nicht an euch vorüberrauschen, schöpfet, trinket aus ihm, euch zum Heil und zu ewiger Erquickung. Das Wort: der Herr kennet die Seinen, ist wahrlich für uns auch eine gewaltige Mahnung und ruft in jedem die centnerschwere Frage wach: wie stehst du zu Ihm, der das Leben und Heil der Welt ist? Er allein kennt uns, unendlich mehr als wir uns selbst kennen. Seine Augen sind wie Feuerflammen, er durchforschet Herzen und Nieren und fragt uns: kennt ihr auch mich, ist mein Leben in euch?

 Und wenn dann, Geliebte, ein Strahl seiner Herrlichkeit euch ins Herz gefallen, so lasset ihn doch zum Lichte werden, das auch andern leuchtet. Führt die Heils- und Lebensquelle nicht blos in euere Herzen, sondern auch in euere Häuser, in euere ganze Gemeinde ein. Durch euch soll Christi Reich auch in andern gefördert werden. Alle menschliche Gemeinschaft soll durch Christi Geist geheiligt, aber auch zur Förderung der Gemeinschaft mit ihm gesegnet sein. So könnet, so sollet ihr Eheleute an einander, ihr Väter und Mütter in euern Kindern das Reich Christi bauen. Wir sind ja alle ohne Ausnahme berufen, Bauleute am heiligen Bau der Kirche zu sein. Das ist gerade das Herrliche an unserer Kirche, daß sie jedem den Zugang zu der göttlichen Gnade öffnet, jedem das Recht gibt, gereinigt durch Christi Blut priesterlich Gott zu dienen, aber nun auch jedem die Pflicht auferlegt, mit seiner Gabe dem andern und damit dem ganzen Leibe des Herrn zu dienen. Wir nennen uns Geistliche, ihr seid, Geliebte, Glieder der Gemeinde.