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Scheidegruß zuruft. Gar ernst und eindringlich ist dieser. Rückwärts wendet sich der Blick auf all die Gaben und Gnaden, mit denen der Herr in demselben uns gesegnet, einwärts in unsere Herzen, ob wir auch treu gewesen in Benützung derselben, vorwärts auf die fernere Entwickelung, auf das letzte Ziel des göttlichen Reiches, auf den Herrn und seine Offenbarung in Macht und Herrlichkeit.

 Und auch das Schriftwort, das unserer heutigen Predigt zu Grunde liegt, ist ein Scheidegruß; ein Scheidegruß ist wenigstens der Brief, dem dasselbe entnommen ist. Es ist der letzte der Briefe des großen Apostels, gerichtet an seinen geliebten Timotheus, sein Schwanengesang. Der müde Kämpfer legt seine Waffenrüstung nieder, er sieht die Krone des Lebens sich winken. Frohlockend ruft er aus: Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe Glauben gehalten. Er zieht heimwärts zum Frieden, zum ewigen Frieden. Die Gemeinden läßt er aber zurück im Kampf, in schwerem Kampf. Irrlehren der gefährlichsten Art sind aufgetaucht und fressen um sich wie der Krebs. Dem Apostel ist bange, aber er verzagt nicht. Seine bekümmerte Seele ruht aus in der göttlichen Verheißung, die der Kirche gegeben ist. Aber der feste Grund Gottes bestehet: ruft er siegesgewiß aus; er meint damit die Kirche Christi selbst, deren Grundfesten ewiger, göttlicher Art sind. Auf diesem göttlich gelegten Grundstein sieht er ein Siegel, eine leuchtende Inschrift; sie redet von der Treue des Herrn, von der heiligen Pflicht der Kirche selbst; von der Treue des Herrn, der seine Kirche erhält und in den Seinen fortlebt, von der heiligen Pflicht der Kirche, sich zu reinigen von aller Ungerechtigkeit, und ihr hohes Ziel nie aus dem Auge zu verlieren.

 So erinnert uns alles, der Schluß unserer Generalsynode, der Schluß des Kirchenjahres, der uns vorliegende Text an Aufgabe und Ziel, an Trost und Hoffnung der Kirche. Es ist mit dem Leben der Kirche wie mit dem Leben des einzelnen. Das Christenleben hat wohl viel Schmerz und Wehe in sich, aber es ist doch vielmehr Gerechtigkeit und Friede und Freude im heiligen Geist. Die Kirche hat viel Kampf und Noth, viel Ursache zu klagen und zu trauern, namentlich in der Gegenwart, aber doch noch viel mehr Ursache, Gott zu loben