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Die Sonne blendet’s nur zu bald;
Der Mond nur düster, matt und kalt
     Erhellt ihm die Vergangenheit,
     Und zwingt den Blick im herbsten Leid

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Zu schauen, was trotz Thränenflut

          Im – Grabe ruht.

Für all’ die Täuschung, all’ die Qual
Der Seelenkämpfe sonder Zahl,
     Für all’ die welken Röslein rot,

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     Die Seufzer um sein täglich Brot,

Gieb, Vater, du nur eins zum Lohn
          Dem Erdensohn:

Gieb, daß sein Geist der – Ruhe pfleg’,
Zum Fluge nicht die Schwingen reg’,

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     Eh’ er ermattet, und doch voll

     Begeisterung – erlahmen soll,
Bis er, ob Not sich endlos dehn’,
          Nichts mehr ersehn’.

Gieb, daß die liederreiche Brust,

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Eh’ – ausgesungen Leid und Lust,

     Verstumme stolz, wie Waldesnacht,
     Bis sie, vom Wiederhall erwacht,
Entschweb’ im – Dämmerstunden-Traum
          Zum Himmelsraum!


Johann Kochanowski.
Trau’ nicht dem Glücke.

     Trau’ nicht dem Glücke, wie hoch du gestellt bist,
     Unter dich blicke; welch’ Leid in der Welt ist!
Nimmer – als Weib – ist Fortuna beständig,
Immer Veränd’rung ist ihr notwendig.
     Bau’ nicht auf Schätze! Trau’ nicht dem Golde!
     Trau’ nicht der Stunde: Verräter im Solde
Hält sie, nicht achtend Würde, noch Leben,
Raubt sie dir wieder, was sie gegeben.
     Vor deinem - Glücke nur sich verneigen,
     Die sich zu Willen immer dir zeigen,
Drehn dir den Rücken, wenn es entschwunden,
Gleichwie dein Schatten in dunkelen Stunden!

Empfohlene Zitierweise:
Albert Weiß: Polnische Dichtung in deutschem Gewande. Otto Hendel, Halle a. d. S. 1891, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Albert_Weiss_-_Polnische_Dichtung_in_deutschem_Gewande.pdf/63&oldid=- (Version vom 12.9.2022)