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Auf die Industrie mit allen ihren Zweigen und Branchen läßt sich am wahrsten der Ausspruch Schiller’s, mit dem er die Künste schildert, anwenden:

Wir kommen von fernher,
Wir wandern und schreiten
Von Völkern zu Völkern,
Von Zeiten zu Zeiten,
Wir suchen auf Erden ein bleibendes Haus;
Um ewig zu wohnen
Auf ruhigen Thronen,
In schaffender Stille,
In wirkender Fülle,
Wir wandern und suchen und finden’s nicht aus.




Werfen wir nach diesen allgemeinen Betrachtungen nun den Blick insbesondere auf unser Vaterland Sachsen, so werden wir finden, daß Sachsen nicht nur blühend in Kunst und Wissenschaft, sondern auch hauptsächlich unermüdlich betriebsam ist und seine Industrie kühn wetteifert mit allen ihren Rivalinnen. Sächsische Gewerbs-Produkte und Erzeugnisse finden sich auf allen Weltmärkten, auf allen Industrie-Ausstellungen, und da überall unter denen, welche mit den vorzüglichsten Preisen gekrönt wurden. Sachsens Name hat in industrieller Hinsicht überall einen sehr guten Klang, und es giebt in der ganzen Welt kein anderes Land, welches bei einem so geringen Flächenraum eine solche Betriebsamkeit, solche Vielseitigkeit, solche Gewerbsthätigkeit entwickelt; es heißt daher mit Recht von unserm Sachsen in jenem Vaterlandsliede:

In Wissenschaft und Kunst so reich,
Ist es an Fleiß der Biene gleich,
Denn was es schafft mit seiner Hand,
Geht weithin über Meer und Land!

Kann sich der sächsische Gewerbfleiß – seiner Natur und seinen Verhältnissen nach – auch nicht gänzlich zur exotischen Riesenmäßigkeit englischer Fabrikthätigkeit emporschwingen, so spricht er dafür um so mehr durch eine naturgemäße Entfaltung an und bietet bei näherer Betrachtung nicht minder interessante Gesichtspunkte; denn er wetteifert kühn und mit unverkennbarem Glück mit allen seinen Rivalen und kann sich dreist jedem derselben an die Seite stellen; ja viele übertrifft er schon längst, oder steht dies binnen Kurzem in Aussicht; durch andere wird er wenigstens nicht verdunkelt, in einzelnen Fällen sogar, wie z. B. in der Damastweberei, steht er einzig und unübertroffen da. Kein Zweig bleibt ganz unversucht und unvertreten, kein Feld, und wäre es ein noch so fremdes, ganz unbebaut, und so gleicht unsere vaterländische Industrie einer großen Musterkarte, wozu alle Gewerbszweige ihre Muster und Proben geliefert haben.

Aber dafür ist auch die sächsische Industrie nicht erst ein Kind der neuen Zeit, nicht erst hervorgerufen durch das ruh- und rastlose, fieberhaft erregte, krankhafte, hastige Streben der Gegenwart, Alles zu erfassen, Alles umzustürzen, und in Allem – wenn auch nur dem äußeren Scheine nach – zu glänzen, sondern vielmehr ist, wie ein berühmter industrieller Schriftsteller sagt, alt und tief das Gepräge der sächsischen Industrie, aber frisch und lebendig der Ausdruck dieses Gepräges; es findet weit umher seine Geltung.

Es konnte dies aber nur dadurch geschehen, daß die sächsische Industrie jederzeit rüstig fortgestrebt zu immer größerer Vervollkommnung und künstlerischer Ausbildung und Betreibung aller ihrer Zweige; denn nur indem der Geist hierbei rastlos thätig ist, die vorgefundenen Kenntnisse und Fertigkeiten bis zur höchsten Kunst zu steigern, ist es allein möglich, die Industrie zu dem emporzuheben, was sie sein soll: die Beherrscherin

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/10&oldid=- (Version vom 7.1.2019)