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Das Amalgamirwerk Halsbrücke bei Freiberg.
(Mit Abbildung.)


In der Nähe von Freiberg liegt der Flecken Halsbrücke, mit dem Rittergut Hals, und hochaufwirbelnde, gewaltige Dampfwolken kündigen schon aus weiterer Entfernung an, daß sich hier ein Hauptsitz bergmännischer Industrie befindet, welcher auch bald als ein großartiger Complex von Gebäuden, eine Welt im Kleinen, sichtbar wird. Das regste Leben herrscht hier, ununterbrochen gehen Wagen ab und zu, bewegen sich geschäftige Berg- und Hüttenleute in ihrer einfachen, dunklen Tracht hin und her, den Fremden mit ihrem traulichen „Glückauf“ begrüßend.

Hier ist das königliche Amalgamirwerk Halsbrücke, das einzige derartige Etablissement in Sachsen, das größte, nicht nur Europas, sondern der ganzen Erde.

Die Kunst des kalten Amalgamirens, durch welche viel Brennmaterial erspart wird, war schon seit Jahrhunderten bekannt, sie wurde von den Spaniern in Mexiko um das Jahr 1571 erfunden und in ihren dortigen reichen Bergwerken angewendet, wobei sie bis zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts fortwährend Vervollkommnungen erhielt. Die Spanier betrachteten das Amalgamiren, wenigstens die erste Zeit, als ein Geheimniß und dieses war Ursache, daß diese Kunst erst in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Europa bekannt wurde und Anwendung fand. Das erste Verfahren war allerdings mangelhaft und deshalb weniger beachtet, bis es 1784 durch den österreichischen Bergrath Ignatius von Born und den chursächsischen Bergrath Christian Ehregott Gellert seine weitere Ausbildung erhielt.

Dieser Bergrath Gellert, geboren den 14. August 1713 in Hainichen, war der Bruder des berühmten, allgemein verehrten Professor Gellert in Leipzig, und in seinem Fach ein ausgezeichneter Mann, die Bergakademie in Freiberg, an der er lange Zeit lehrte, nennt ihn ehrend als Einen ihrer Begründer, und als metallurgisch-chemischer Schriftsteller war er auch in den weitesten Kreisen bekannt. Gellert starb zu Freiberg den 18. Mai 1795.

Die Vortheile, welche dieses nun ausgebildete Verfahren bot, veranlaßten den König Friedrich August I. – damals noch Kurfürst – durch den Oberberghauptmann von Charpentier das Amalgamirwerk zu Halsbrücke erbauen zu lassen, welches die Zeit von 1787–1790 in Anspruch nahm. Aber noch kein Jahr war das Werk im Betrieb, als es (1790) schon gänzlich abbrannte, worauf es 1792 weit besser und kunstreicher wieder hergestellt wurde, und sich fortwährend vergrößerte, wobei es auch stets Verbesserungen erhielt, da jede neue Erfindung in diesem Fach des Bergwesens sogleich benutzt wurde. Im Lauf der Zeit erhielt das Werk ein von Mende erbautes großartiges Spritzendruckwerk und im Jahre 1827 eine eigene Gasbereitungsanstalt, die erste in Sachsen, sowie auch hier die Gasbeleuchtung zuerst in Sachsen in Gebrauch kam.

Die für die Amalgamation bestimmten Erze müssen möglichst blei- und kupferfrei sein, aber Schwefelkies bei sich führen und einen solchen Silbergehalt haben, daß der Centner Erz wenigstens 6–7 Loth Silber enthält. Diese Erze werden klein gepocht in das Amalgamirwerk abgeliefert, wo nun der mühevolle Prozeß des Silberausscheidens beginnt.

Die erste Behandlung der Erze wird in der bergmännischen Sprache die Beschickung genannt. Unter die gepochten Erze wird lagenweis Kochsalz gebracht, das Ganze mit Schaufeln durch einander geworfen, gehörig durchgesiebt, und dann in Haufen von 4½ Centner eingetheilt, die sogenannten Röstposten. Hierzu sind täglich 300 Centner Erz und 30 Centner Kochsalz nöthig.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/101&oldid=- (Version vom 7.1.2019)