Seite:Album der Sächsischen Industrie Band 1.pdf/169

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das kleinere Etablissement, welches von dem größeren nur durch die Straße getrennt ist und an dem Ufer der Röder liegt, umfaßt

ein Hauptgebäude und fünf Nebengebäude. Im ersteren wird die Streichgarnspinnerei betrieben, in den Nebengebäuden befindet sich die Färberei, die Tischler- und Schmiedewerkstatt, sowie eine Gasbereitungsanstalt mit Gasometer von 8000 Kubikfuß Inhalt.

Das Etablissement beschäftigt sich mit der Streichgarnspinnerei und Tuchappretur, und sind seine berühmtesten und gangbarsten Erzeugnisse, außer den Tuchen, welche hier für andere Etablissements appretirt werden, die Streichgarne in reiner Wolle, sowie in Vigogne, welche letztere auch die Haupterzeugnisse bilden und ihren Absatz nach mehreren europäischen Staaten finden.

Diese Erzeugnisse befanden sich außer auf den sächsischen Ausstellungen, auch auf den zu München und Paris und erhielten

1836 in Dresden die goldene Medaille für Tuche,
1854 in München die Ehrenmedaille für Streichgarne und
1855 in Paris die Medaille zweiter Classe ebenfalls für Streichgarne.

In dem größeren Etablissement sind an Maschinen aufgestellt

sieben Satz breite Krämpeln mit erforderlicher Feinspinnerei,
vierzehn Rauhmaschinen mit erforderlichen Scheermaschinen und
eine Dampfmaschine nach Woolfeschem System, an 45 Pferdekraft;

und in dem kleineren

drei Satz schmale Krämpeln mit erforderlicher Feinspinnerei, in Bewegung gesetzt durch acht Pferdekraft ausübende Wasserkraft und
zur Aushülfe befindet sich hier noch eine Dampfmaschine von 8 Pferdekraft, welche auch mit in der Färberei benutzt wird.

Beschäftigt sind hier ein Procurist, Herr Theodor Müller, vier Comptoiristen und circa 200 Personen.

Das Etablissement wurde von den Herren Friedrich Michael und Ferdinand Sigismund Eckhardt gegründet, welche anfangs in dem kleinern Etablissement nur die Streichgarnspinnerei für Tuche, um Lohn für die in Großenhain etablirten Fabrikanten betrieben, bis 1836, wo sie das gegenüber liegende, damals als Ruine dastehende, sogenannte alte Schloß ausbauten und die Tuchappretur dort begründeten, so wie daselbst noch mehr Maschinen zur Streichgarnspinnerei aufstellten. Von dieser Zeit an vergrößerte sich das Geschäft fortwährend und bald gesellte sich zu der Lohnspinnerei die Spinnerei für eigene Rechnung, welche Letztere sich nach und nach so ausdehnte, daß die Lohnspinnerei endlich ganz aufgegeben werden mußte. Am 10. Januar 1856 brach in dem alten Schloße Feuer aus und zerstörte es fast gänzlich, worauf noch in demselben Jahre von dem jetzigen Besitzer des Etablissements, Herrn Eduard Adolph Michael Eckhardt, die Gebäude in größerem Maßstabe und geschmackvollem, großartigem Styl wieder aufgebaut wurden, wobei der überaus feste, noch aus dem zwölften Jahrhundert herstammende Schloßthurm, welcher auch jetzt dem Brande siegreich widerstanden, wieder mit verbaut wurde und fortfuhr, wie früher als Schornstein der Dampfmaschine zu dienen.

Es sei uns vergönnt, hier noch Einiges über die frühere Geschichte des Schlosses zu sagen, um ein deutlicheres Bild von den Umwandlungen zu geben, welche im Laufe der Zeit eine Oertlichkeit erleiden kann.

Auf dem Platz, wo jetzt die Spindel schnurrt, Tag und Nacht die Dampfmaschine keucht und braust und ihre Rauchwolken zum Himmel sendet, wo Hunderte geschäftiger Hände zu friedlichen Zwecken sich regen von früh bis spät, erhob sich einst ein sorbischer Vertheidigungswall, von dem Opferbrände loderten, und wenn der Feind sich nahte, Signalfeuer die Umwohner von der drohenden Gefahr unterrichteten und zur Vertheidigung aufriefen. Als im zehnten Jahrhundert die Wenden von deutschen Kriegern überwältigt wurden, legten die Sieger hier – um das Jahr 928 – eine Burg an, wohl als Grenzveste gegen die benachbarten, noch nicht unterworfenen Landschaften dienend. Von der unter ihrem Schutz schnell entstandenen Stadt

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/169&oldid=- (Version vom 6.1.2019)