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von denen Einer – der Maler Otto – von einer Reise durch die Niederlande, Portugal, Spanien, Italien und die Schweiz allein für 100,000 Thlr. Bestellungen mitbrachte. Zugleich erhielt das Auctionswesen solche Ausdehnung, daß 1766 auf diesem Wege für 63,342 Thaler 13 Groschen Porzellane verkauft wurden. Ihren höchsten Glanzpunkt aber erreichte die Anstalt 1765, wo sie 731 Leute beschäftigte, die Einnahme 221,500 Thaler und der Ueberschuß 42,000 Thaler betrug.

Damals hatte die Fabrik auch in folgenden Städten Commissionslager: Amsterdam, Augsburg, Aachen, Ancona, Archangel, Altenburg, Berlin, Breslau, Bremen, Braunschweig, Belgrad, Bern, Bamberg, Bologna, Bordeaux, Brody, Brüssel, Cassel, Copenhagen, Cadix, Charleston, Constantinopel, Crackau, Danzig, Dublin, Dorpat, Erfurt, Frankfurt a. M., Göttingen, Genua, Gotha, Halberstadt, Hamburg, Haag, Hildesheim, Hannover, Kiew, Kaluga, London, Lissabon, Lübeck, Lüttich, Lüneburg, Lemberg, Magdeburg, Macedonien, Mittau, Mannheim, Marseille, Mastricht, Moskau, Neufchatel, Nürnberg, Narva, Neapel, Nieder-Preschkau, Paris, Palermo, Pultawa, Petersburg, Pesth, Rom, Riga, Regensburg, Reval, Rotterdam, Smolensk, Stockholm, Straßburg, Thorn, Turin, Triest, Thurnhut, Utrecht, Venedig, Wien, Wolfersdorf in Böhmen und Warschau.

Mit dem 1774 erfolgten Austritt Fletschers hatte auch das Gedeihen der Fabrik seine Endschaft erreicht, denn der ihm folgende Graf Markolini gefiel sich in kleinlicher Geheimnißkrämerei und vernachläßigte darüber das Andere gänzlich. So ward das in jener Periode erfundene und heute noch angewendete Königsblau (Gutbrennblau) von dem Direktor fast gar nicht beachtet. Nun gelang es den concurrirenden Fabriken nach und nach die Meißner zu überflügeln, und diese erhielt sich zuletzt fast nur noch durch den russischen und orientalischen Handel; es kamen vorzüglich aus Rußland die Bestellungen so massenhaft an, daß das Personal durch Zwangsmaßregeln genöthigt wurde, an Sonntagen und hohen Festen zu arbeiten. – Aber mit einem Schlage hörte auch dieses auf, als 1806 Rußland die Einfuhr alles fremden Porzellans verbot, die türkischen Bestellungen immer seltener wurden, und endlich ganz verschwanden.

Nun begann die traurigste Periode der Fabrik seit der Zeit ihres Bestehens. Der technische Betrieb war im tiefsten Innern zerrüttet, das Formenwesen gänzlich veraltet, der Debit vernichtet, das Malerkorps ohne künstlerischen Sinn, das Arbeiterpersonal demoralisirt, die Beamten zeigten sich ohne Thätigkeit und Fähigkeit und waren unvermögend, den verderblichen Gang der Dinge aufzuhalten. Mit jedem Tage kam die Fabrik weiter zurück; die Vorschüsse machten sich alle Tage nöthiger und sie erreichten von 1806 bis 1813 die enorme Summe von 405,000 Thalern, welche nutzlos verschwendet wurden, da die Direktion hartnäckig bei dem Glauben festhielt, die russischen Absatzquellen würden sich wieder öffnen und deshalb in ungeheuren Massen Waaren fabrizirte, für welche man nirgends auf Absatz rechnen konnte, als eben in dem verschlossenen Rußland, dabei vernachlässigte die Fabrik ihre übrigen Verbindungen und verlor sie zum größten Theil. So kam die Anstalt so weit herab, daß sich 1813 ihre Einnahme nur noch auf 24,378 Thaler belief. – Späterhin benutzte man die häufigen Durchmärsche russischer Truppen, um die zu Bergen aufgehäuften Waaren auf dem Auctionswege loszuschlagen.

Um indessen dem ganzen Unheil die Krone aufzusetzen, verlor die Anstalt ihren letzten Vorzug, der in der Güte ihrer Masse bestand. Die Verwaltung der Auer Erdenzeche lieferte schlechte, aus geringhaltigem eisenschüssigen Haufwerken ausgeschlemmte Erde ab, aus welcher man den ganzen Massenbedarf für 1814 im Voraus bereitete, gegen 700 Centner. Eine Folge davon war, daß in den ersten Monaten des Jahres 1814 alle Porzellane grau und gelb aus dem Brennofen kamen. Erst später wurde die Ursache dieser Erscheinung entdeckt und die Erde weggeschüttet, der Credit der Anstalt hatte aber einen fühlbaren Stoß auf Jahre hinaus erlitten. – Commissionen, welche 1814 und 1815 zur Revision des Manufakturbetriebs niedergesetzt wurden, wußten kaum, wo sie anfangen sollten, um dem allgemeinen Verderben einen Damm entgegen zu stellen.

Es fehlte indessen vor Allen an einem mit den nöthigen Kenntnissen und Kräften ausgerüsteten Manne, und dieser fand sich in der Person des jetzigen Bergraths Kühn, welcher 1814 als Inspektor und Vorsteher

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/178&oldid=- (Version vom 6.1.2019)