Seite:Album der Sächsischen Industrie Band 1.pdf/225

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die Baumwollenspinnerei u. Bleiche von Becker und Schraps in Chemnitz.
(Mit Abbildung.)


Chemnitz Umgebungen bieten manche herrliche Punkte, welche mit allen Reizen der Natur geschmückt sind; zu den reizendsten Parthieen aber gehört jenes südwestlich von der Stadt sich hinziehende Thal, welches auf der einen Seite durch sanft aufsteigende Höhen und auf der anderen durch steilere, grünbelaubte Abhänge gebildet und von der Chemnitz in mannichfachen Windungen durchströmt wird. Doch auch hier fehlt es nicht an Erinnerungen, daß die Metropole der sächsischen Industrie in der Nähe ist und diese Gegend zu den betriebsamsten nicht nur des sächsischen Vaterlandes, sondern auch Deutschlands gehört. An dem anmuthigsten Punkte dieses Thals, mit Alt-Chemnitz gränzend, liegt das von Chemnitz und der Umgegend aus vielbesuchte Sachsensruhe mit seinen wenigen Gebäuden, unter denen das palastartig emporsteigende Hauptgebäude der Baumwollenspinnerei und Bleiche von Becker und Schraps schon in der Entfernung in die Augen fällt und einen romantischen Eindruck hervorbringt.

Der umfangreiche, von den so oft industriellen Zwecken dienstbaren Gewässern der Chemnitz bespülte Gebäudecomplex dieses Etablissements liegt zwar schon auf altchemnitzer Gebiet, gehört aber zu der Stadt Chemnitz und besteht aus

einem Hauptgebäude von fünf Etagen Höhe, mit Thürmchen und Thurmuhr geschmückt. In diesem Gebäude wird die Baumwollenspinnerei mit 10,500 Spindeln betrieben, auch befindet sich hier das Comptoir und die Wohnung des Dirigenten der Spinnerei;
einem Bleichhause;
einem Wollwaschhause;
einigen anderen Nebengebäuden, zu verschiedenen, sowohl der Spinnerei als der Bleicherei dienenden Zwecken, und
einem ansehnlichen Wohngebäude mit dazu gehörigen Scheunen, Schuppen und Pferdeställen.

Zu diesen Gebäuden gehören noch Gärten, Wiesen und mehrere Feldgrundstücke.

Als Branchen umfaßt das Etablissement die Baumwollenspinnerei und Bleicherei. Die Spinnerei erzeugt gute Webergarne in den Nummern von 30 bis 50, hauptsächlich aber Schuß Nr. 3.

Diese Gespinnste finden ihren Absatz durch ganz Deutschland, vorzüglich aber in die Lausitz, das Vogtland und nach Baiern.

Das ganze Werk consumirt 40–50 Pferdekraft; hauptsächlich Wasserkraft, mit Reserve-Dampfkraft.

Beschäftigt sind hier fortwährend 140–150 Personen, verschiedenen Geschlechts und verschiedenen Alters, an deren Spitze ein Director steht, gegenwärtig Herr Looß.

Zu diesem Etablissement gehört noch eine in der Stadt gelegene Druckerei unter gleicher Firma, auf welche wir später ausführlicher zurückkommen werden.

Besitzer dieses Etablissements sind die Herren Dörstling und Kirchner.

Diese Spinnerei wurde 1811 von dem um Chemnitz sich verdient gemachten Herrn Christian Gottfried Becker gegründet und ist in ihrer Entstehung eines der ältesten derartigen Etablissements Sachsens.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/225&oldid=- (Version vom 9.3.2019)