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Durch die Landesherren begünstigt und aufgemuntert war die Fabrikation Reichenbachs fortwährend im Steigen und damit auch der Wohlstand der Bewohner, so daß dieselben wohl den Verlust des nach und nach gänzlich versiegten Bergsegens nicht allzu sehr empfinden mochten. In den späteren Jahren lieferte Reichenbach ausgezeichnete Tuche, namentlich Scharlach, welche Farbe durch den hier geborenen Adam Meier eingeführt wurde. Dieser Meier hatte Theologie studirt, sich aber auch stets mit Vorliebe mit Chemie beschäftigt, vielleicht, nach dem Geschmack der damaligen Zeit, bisweilen auch mit Alchymie, und wußte seine so erlangten Kenntnisse nutzbar anzuwenden, denn als er später nach Holland kam und einige Zeit in Amsterdam lebte, erlernte er daselbst die geheim gehaltene Bereitungsart der Scharlachfarbe, wegen welcher Holland damals weltberühmt war. Nach der Rückkehr in sein Vaterland lehrte Meier seinen Landsleuten dieses Geheimniß und wendete dadurch seiner Vaterstadt große Vortheile zu. Dieser verdiente Mann starb als Diakonus in Schneeberg.

Reichenbachs Scharlachtuche wetteiferten nun bald an Güte und Schönheit mit den besten holländischen und fand in halb Europa Absatz. Ein zweiter berühmter Artikel war das Flöckeltuch, welches namentlich stark nach Ungarn ging. – Später fertigte man besonders Casemirs, Köper und Flanell, welche sich eines guten Rufes erfreuten, und in neuerer Zeit zeichnete sich Reichenbach vorzüglich durch seine Merinos und Thibets und ähnliche Modewaaren aus, welche sogar den französischen und englischen Erzeugnissen vorgezogen und in großen Quantitäten selbst auf überseeischen Märkten abgesetzt werden. Nicht minder ist die hier verfertigte sogenannte plauensche Waare – Mousselin, Mull, Battist, Jaconnet u.s.w. – vorzüglich.

Die Stadt wurde von zahlreichen Unglücksfällen heimgesucht. 1429 wurde sie von den Hussiten auf die barbarischste Weise verheert; der dreißigjährige Krieg brachte nicht minder viele Leiden über sie, und namentlich hat sich da der wilde Holke, der im August 1632 hier und in der Umgegend hauste, eine traurige Berühmtheit erworben. Am 30. April 1681 brannten über zweihundert, am 20. August 1720 fünfhundert und beide Kirchen und am 7. Juni 1773 zweihundertvierundachtzig Häuser und eine Kirche ab. Am 2. Juni 1838 wurde Reichenbach durch Feuer abermals fast ganz vernichtet, denn es verzehrte fünfhundertfünf Häuser, beide Kirchen und das Rathhaus. Aber alle diese Unfälle konnten die Stadt wohl momentan niederbeugen, jedoch nicht auf Dauer, denn nach kurzer Zeit hob sie sich durch die Macht ihrer Industrie zu neuer und schönerer Blüthe. Es soll damit allerdings nicht gesagt werden, daß die Folgen des letzten großen Brandes so leicht und bis jetzt gänzlich verschmerzt wären.

Gegenwärtig befinden sich in der Stadt wie in deren Vorstädten zahlreiche und mitunter sehr bedeutende Spinnereien, welche theils Kammgarne, theils Vigogne- und Streichgarne liefern, z. B. die Spinnerei von H. Albert, Bechler, C. Bonitz, Ciriak u. Co., Dietrich und Wunderlich, M. Feustel, Jacob u. Paul, Illing, W. Keßler, Kupfer u. Co., Paul und Schreiterer, Paul u. Co., Schaarschmidt und Schreiterer, J. Seyferth u. Co., Schneider u. Co., R. Tröltzsch u. Jacob, C. G. Tröltzsch u.s.w. Viele dieser Etablissements beschäftigen sich zugleich mit der Herstellung von Manufacturwaaren, welche aber auch von vielen anderen oft sehr ansehnlichen Etablissements ausschließlich betrieben wird, unter Anderen von J. G. Beck, Brodbeck u. C., J. H. Fiedler jun., C. F. Förster, C. Gerber (Fabrik wollener gedruckter und gefärbter Shawls und gedruckter Tischdecken), Gloß u. Sohn, Franz Hoffmann, F. W. Keßler jun., Th. Liskowsky, Mahn u. Co., G. Ringk, Simon u. Streller (feine wollene Châles), Stiebert u. Sohn, W. Speck u. Co. u.s.w. – Ausgezeichnete Maschinen liefert die Fabrik von J. C. Braun, außerdem giebt es noch zwei Maschinenbauwerkstätten, die von Kießhauer und Söhne und von Schlosser und Oberländer.

Auch in der Umgegend befinden sich zahlreiche gewerbliche Etablissements, deren Besitzer zum Theil in Reichenbach oder in dem benachbarten Städtchen Mylau wohnen. In dem nur eine halbe Stunde von Reichenbach entfernten Mylau finden wir die ansehnliche Brücknersche Baumwollenspinnerei, die bis 1836 die größte aller sächsischen Spinnereien war, weiter abwärts der Göltzsch, an der berühmten

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/333&oldid=- (Version vom 9.3.2019)