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Die hier vertretenen Branchen sind:

das Baumwollengarngeschäft,
die Baumwollengarnspinnerei,
die Bleichanstalt und
die Appreturanstalt.

Die Haupterzeugnisse des Etablissements sind Posamentir- und Webergarne in roh und gebleicht.

In den drei Spinnereigebäuden sind zusammen neun bis zehntausend Spindeln im Gange, betrieben durch Wasserkraft; und es werden im Ganzen hier fortwährend mehr als zweihundert Leute beschäftigt.

Besitzer des Etablissements ist Herr Julius Herrmann Naumann. Es hat sich derselbe um Schlettau und Umgegend viel Verdienste erworben, z. B. daß er in dem Theuerungsjahre 1847 nicht nur seinen Arbeitern fortwährend Beschäftigung gab, sondern auch vielen Anderen bei der damals herrschenden Arbeitslosigkeit durch Ausführung von Bauten – namentlich eines bedeckten Canals zu einer Spinnerei, welcher bedeutenden Kostenaufwand verursachte, – Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst bot.

Das Etablissement wurde im Jahre 1811 von den Herren Lohse und Naumann gegründet und mit zweitausend Spindeln in Gang gesetzt; es fand nach und nach, namentlich aber von 1840 an, seine jetzige Ausdehnung.

Das alte Schloß, welches jetzt zu industriellen Zwecken dienen muß, was seine Erbauer und späteren fürstlichen Bewohner gewiß nicht geahnt, ist ein vier Stock hohes, ganz nach altem Styl erbautes Gebäude, mit großen, in ihren Stöcken mit Leistenwerk verzierten, jetzt aber fast ganz zugemauerten Fenstern, außerordentlich dicken und festen Mauern und einem Thurm. – Oft hat es seine Besitzer gewechselt, viele Stürme sind an seinen altersgrauen Mauern vorübergebraust und mancherlei sind die Schicksale, welche es im Laufe der Zeiten erfahren, und um den Unterschied zwischen Sonst und Jetzt dieses alten Bauwerks klarer vor Augen zu führen, sei es uns vergönnt, einen kurzen Rückblick auf seine Geschichte zu werfen.

Die Sage läßt in den ältesten Zeiten hier Raubritter hausen, und obgleich sich keine historischen Belege dafür finden, so wollen wir in Berücksichtigung jener wilden Zeiten die Möglichkeit nicht bestreiten, daß das älteste Schloß, welches stand, ehe noch Schlettau selbst existirte – das erst 1367 Stadtgerechtigkeit erhielt – seiner Zeit als Raubschloß gedient haben mag, doch jedenfalls nicht lange, denn 1240 wird es als Besitzthum des reichen Cisterzienserklosters Grünhain aufgeführt. Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich die zweite, ebenfalls durch keinen historischen Nachweis begründete Sage, dieses Schloß sei auch einst Kloster gewesen.

Von dem Kloster kam Schlettau in die Hände der angesehenen Familie von Schönburg, von welcher Glieder hier wohnten, und es stand unter Oberhoheit der meißnischen Markgrafen. Im Jahre 1413 aber vertauschte es Fritz von Schönburg, überhaupt ein großer Klosterfreund, gegen einige in Böhmen gelegene Ortschaften wieder an das Kloster Grünhain, welches nun bis zu seiner 1536 erfolgten Aufhebung in dessen Besitz blieb. Während dieser Zeit aber hatte das Schloß, gleich der Stadt, schwere Drangsale zu überstehen, denn die Hussiten stürmten und ruinirten es mehrere Male, aber sie wurden auch 1553 hier von Friedrich dem Sanftmüthigen gänzlich geschlagen und man legte zum Andenken an diese Schlacht drei Pfeilspitzen in den Thurmknopf des Schlosses, wo sie 1649 noch gefunden wurden. 1525, als die deutschen Bauernunruhen auch im Erzgebirge Anklang fanden, drangen im April die ausgestandenen Unterthanen des Abts von Grünhain plötzlich mit Gewalt in das Schloß, plünderten und verwüsteten es.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/355&oldid=- (Version vom 6.1.2019)