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Die Fabrik baumwollener Waaren von C. G. Hoffmann in Neu-Gersdorf.
(Mit Abbildung.)


Von Eibau wenden wir uns westlich nach dem eine Stunde von da entfernten belebten und gewerbfleißigen Gersdorf, welches sich so dicht an Böhmens Grenze anschließt, daß man aus seinen letzten Häusern mit wenig Schritten in das Nachbarland gelangen kann. Das Dorf wird von der Löbau-Rumburger Chaussee durchschnitten und ist bei seiner zum Theil hohen und freien Lage weithin sichtbar. Von Zittau ist es gegen vier Stunden und von Löbau drei Stunden entfernt; nach Rumburg, der nächsten böhmischen Stadt, gelangt man in einer Stunde.

Als einst im fünfzehnten Jahrhundert die Hussiten, aufgestachelt von fanatischer Wuth, von Böhmen aus über die umliegenden Länder gleich einem verheerenden, wilden Strom sich ergossen, traf auch Gersdorf der barbarischen Schaaren Grimm in solchem Maße, daß kein Stein auf dem andern blieb, und die wenigen Einwohner, welche ihr Leben vor dem Schwert der blutgierigen Feinde gerettet, es nicht wagten, nach der nun verödeten Stätte ihrer ehemaligen Wohnung zurückzukehren. Waldung überzog die Stelle, wo einst in friedlichen Hütten fleißige Menschen wohnten und auf fruchtbaren Feldern die goldnen Aehren schwankten; das Schloß lag in Ruinen, gleich der Kirche, in deren Trümmern wildes Gesträuch wucherte und Vögel nisteten. Man kannte in der Umgegend diese Stelle nur noch unter dem Namen: „der Wald, Giersdorf genannt“.

Von Böhmen aus war Gersdorf zerstört, von Böhmen her kamen wieder seine ersten Ansiedler. – Nachdem die Stätte fast zweihundert Jahre wüste gelegen, bauten sich hier böhmische Exulanten an; ein neuer Ort entstand, welcher sich durch die Thätigkeit seiner Bewohner mit jedem Jahr mehr hob und vergrößerte, so daß er jetzt zu den ansehnlichsten Dörfern unsers Vaterlandes zählt und in industrieller Hinsicht eine bedeutende Stelle einnimmt.

Das Dorf zerfällt in Alt- und Neu-Gersdorf; in letzterem, welches sich durch viele neue, geschmackvolle und zum Theil selbst großartige Gebäude auszeichnet, finden wir die, durch ihren hohen Dampfschlot schon von Ferne sich bemerklich machende Fabrik baumwollener Waaren von C. G. Hoffmann.

Die Gebäude dieses Etablissements bestehen in

einem Wohngebäude, in dem sich das Comptoir, Expeditionen für Weber und Treiber, so wie mehrere Lagerräume befinden;
einem 1853 in geschmackvollem Styl neu errichteten Hauptgebäude von 110 Ellen Länge, mit Maschinenhaus, Zwirnerei für farbige Garne, Holzraspel, Waarenlege- und Verpackzimmer, Maschinenschlosserei und ansehnlichen Lagerräumen; so wie auch noch Räumlichkeiten vorhanden sind, welche künftig mehrere zum Fabrikbetrieb erforderliche Maschinen aufnehmen werden;
zwei Färbereigebäuden mit Trockenstuben;
einem Nebengebäude, wo die Scheererei betrieben wird;
einem Kohlenschuppen, und außerdem noch
einigen Nebengebäuden mit Magazin für Farbewaaren, Stallungen u.s.w.

Hierzu gehören noch verschiedene andere Grundstücke.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/93&oldid=- (Version vom 7.1.2019)