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Nun endlich beginnt das Nähen, wo das Geflecht zu Hüten u.s.w. umgewandelt und somit die Waare fertig gemacht wird, daß sie jetzt in die Hände des Händlers übergehen kann.

So einfach auch das Flechten in der Regel aussieht, so kann namentlich in den feineren Flechtarten eine lohnende Fertigkeit nur durch Uebung von früher Jugend auf gelernt werden. Deshalb giebt es mehrere Flechterinnen, ja noch ganze Dörfer, welche immer nur die alte Art von groben und mittleren Geflechten liefern, weil sie feineres mit Nutzen flechten zu lernen sich nicht getraun. Wer erst in späteren Jahren das Flechten beginnt, dem fällt das Erlernen überaus schwer. Ja manche, die von Jugend auf dazu angehalten sind, lernen doch nie recht fein, dicht und gleich flechten.

Und gleichwohl beginnt in den Strohdörfern das Flechten noch frühzeitiger, als in dem Gebirge das Klöppeln, Kinder von drei bis vier Jahren lernen es ganz spielend, indem sie, den Erwachsenen nachahmend, die Halme zum Zeitvertreib in einander brechen. So bedarf es dann nur noch einer kleinen unterweisenden Nachhilfe, und das Mädchen, welches auf diese Art flechten lernt, wird in der Regel die geübteste und geschickteste Flechterin. So sieht man denn häufig schon Kinder von fünf Jahren mit arbeiten und zu dem Verdienst der Eltern das Ihrige beitragen.

Bei einem Gange durch die Strohdörfer sieht man sehr häufig die Wahrzeichen dieses Industriezweiges, denn an allen Fenstern und Thüren sieht man Strohgeflecht und Halme und an schönen Sommerabenden sitzt Alles vor den Thüren, unter heiterem Geplauder, Scherzen, Lachen und Singen, mit Ausschneiden, Auslesen, Zusammenbinden, Flechten, Weifen oder Nähen beschäftigt. – An langen Winterabenden aber versammeln sich die „Strohmädchen“, um in heiterer Geselligkeit ihrer Arbeit obzuliegen.

So hat das Leben in den „Strohdörfern“ trotz des prosaischen Namens immer noch seine poetische Seite.



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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/213&oldid=- (Version vom 11.5.2019)