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Die Fabrikation musikalischer Instrumente in Sachsen.


Ein in Sachsen eigenthümlicher Gewerbzweig ist die Fabrikation musikalischer Instrumente, sowohl von Holz, als von Blech, welche hauptsächlich im Voigtlande, doch auch in einigen Orten des Erzgebirges, in mehr oder minder großartigem Maßstabe getrieben wird, eine Menge Hände grade in den ärmsten Gegenden unseres Vaterlandes beschäftigt und ihnen, wenn auch nicht eben reichlichen, so doch genügenden, oder wenigstens nothdürftigen Erwerb gewährt, was man von anderen daselbst getriebenen Erwerbszweigen leider nicht immer sagen kann, wie z. B. das Klöppeln und das Sticken, wo es von den damit beschäftigten armen Mädchen trotz aller Kunstfertigkeit nur zu oft heißen kann: „sie haben zu wenig, um zu leben, und zu viel, um zu erhungern.“

Der Hauptsitz dieser Industrie – wenn wir die Pianofortefabrikation ausnehmen – ist das Voigtland und hier sind es die Städte Markneukirchen und Adorf und das Dorf Klingenthal, wo sie vorzugsweise getrieben wird und von wo die Erzeugnisse nach aller Welt gehen; denn nicht auf das Inland oder auf Deutschland allein beschränkt sich der Absatz, sondern über ganz Europa, ja selbst nach überseeischen Ländern gehen die Erzeugnisse dieser Industrie in ganzen Massen, in den Concerten Asiens und Amerikas klingen die Instrumente des Voigtlandes, der Wilde Australiens tauscht sie gegen seine Kokosnüsse und Brodfrüchte und versucht dann auf ihnen seine musikalischen Talente in schmetternden, schreienden und quikenden Tönen zu erproben, der Neger an der Küste Kongos und Guineas tanzt nach ihnen und selbst in das Innere Afrikas sind sie durch den Tauschhandel vielleicht weiter gedrungen, als bis jetzt der kühnste europäische Reisende. Auf der Harmonika des Voigtlandes spielt der Kosak des Ural und des Don seinem Liebchen vor, versucht sich die Haremsbewohnerin und erheitert der einsame Ansiedler in den Urwäldern Amerikas seine wenigen Stunden der Erholung von mühseliger Arbeit. – Musik liebt eben alle Welt und Jeder sucht sie auszuüben, so gut es eben geht.

Dieser Industriezweig wurde zu der Zeit, als die Religionsverfolgungen in Böhmen immer heftiger begannen und damit das Signal zum Ausbruch jenes unheilvollen Krieges gaben, welcher dreißig Jahre lang Deutschland auf das schrecklichste verwüstete und ganze Landstriche zu Einöden verwandelte, durch böhmische Auswanderer nach dem Voigtlande verpflanzt; Instrumentenmacher unter diesen Auswanderern ließen sich in Klingenthal und Markneukirchen nieder, wo sie in nächster Nähe die für ihre Fabrikate geeignetsten Holzarten fanden, und sie übten sich eine Anzahl Gehülfen ein. Freilich war in jener unruhigen Zeit an einen lebhaften Aufschwung des Gewerbes nicht zu denken, „die Pfeiffen- und Geigenmacher im Voigtlande mußten mehr Pfeiffen und Trompeten für das wilde Kriegsvolk machen, als Geigen zum Tanz, und was sie etwa dabei verdienten, wurde ihnen von den Kriegsleuten mit dem Säbel über dem Kopfe wieder abgenommen“, erst als die Kriegsstürme schwiegen, die geschlagenen Wunden nach und nach zu heilen begannen, wurde es auch mit der Instrumenten-Industrie wieder lebhafter.

Um 1690 stand diese Industrie schon in hoher Blüthe, zum Theil Verdienst des Instrumentenmacher Johann Tängel aus Danzig, welcher viele Jahre bei den besten Instrumentenmachern des Auslandes

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/253&oldid=- (Version vom 11.5.2019)