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zu Soho am 17. August 1809) war ein strebsamer Mann, für jede neue Erfindung begeistert, – wie denn auch James Watt in Verbindung mit ihm seine ersten Dampfmaschinen baute – und selbst genialer Erfinder, er begünstigte Murdochs Idee auf das Eifrigste und stellte die zur Erzeugung und Reinigung des Gases nöthigen Apparate her. So gelang es Murdoch, die Gasfabrikation im Großen zu treiben und 1802 brachte er es zuerst in Anwendung, indem sämmtliche Werke in Soho zur Friedensfeier mit Gasflammen glänzend erleuchtet wurden.

Nun war erfolgreich Bahn gebrochen. Schon 1803 und 4 wurde die Gasbeleuchtung auf dem Lyceum-Theater in London eingeführt, 1805 in der größten Spinnerei in Manchester und diesem Beispiele folgten rasch noch eine Menge andere Fabriken; auch Kaufläden erhielten schon häufig Gasbeleuchtung. 1815 waren schon ein Theil der Straßen Londons, sowie viele öffentliche Gebäude daselbst durch Gas erleuchtet. Immer schneller verbreitete sich die neue Beleuchtungsmethode, je mehr man ihre Vortheile erkannte, und 1822 betrugen die von Privaten zu diesem Zweck angelegten Kapitale schon 1,000,000 Pfd. Sterling und es hatten die gelegten Gasleitungsröhren zusammen die Länge von mehr als 150 englischen Meilen.

Aber das Verdienst, die Gasbeleuchtung in colossalem Maßstabe in England eingeführt zu haben, gebührt einem in jenem Lande lebenden Deutschen, A. Winzer, welcher sich aber mit Verleugnung seines deutschen Namens Winsor nannte. Er stiftete in London die Gas- und Coakscompagnie, welche die Beleuchtung der gesammten Stadt mit allen ihren Straßen, Plätzen, öffentlichen und Privatgebäuden übernahm, und deren Einrichtungen das Muster für alle von da an entstehende ähnliche Gesellschaften wurden.

In Frankreich wendete der Ingenieur Philipp Lebon (geb. 1765 zu Brachet im Departement der oberen Marne) der Leuchtkraft der Gase besonderes Studium zu, und läßt sich auch die frühere Anwendung des Leuchtgases den Engländern nicht streitig machen, so gebührt doch die Ehre der ersten wissenschaftlichen Auffassung dieses Gegenstandes allein Lebon. Er kam auf den Gedanken, die Gase, welche sich bei Erhitzung des Feuerungsmaterials entwickeln, zu Beleuchtungszwecken zu benutzen; doch wendete er dabei seine Aufmerksamkeit vorerst mehr auf das Holzgas. Er theilte im Jahre VII der Republik seine Entdeckungen dem Institut mit und nahm ein Patent auf einen von ihm erfundenen Apparat, den er Thermolampe nannte. In seiner Schrift über die Thermolampe entwickelte Lebon weitgreifende Gedanken, denn er wollte das Gas nicht allein zur Beleuchtung verwenden, sondern auch zur Erwärmung, und als Triebkraft der Maschinen. Vorzüglich von 1799 bis 1802 machte Lebon viel Versuche, im letzten Jahre unter Benutzung der inzwischen bekannt gewordenen Ideen der Deutschen über diesen Gegenstand, und er stellte seine Thermolampen in Havre auf, da er sie namentlich auch zu Leuchtfeuern auf Leuchtthürmen bestimmt hatte; doch war das Gas noch zu unvollkommen, um genügende Resultate damit zu erzielen. Allein auch diese Vervollkommnung würde Lebon endlich gelungen sein, da er alle Geistesgaben besaß, das Werk glücklich zu einem guten Ende zu führen, wenn nicht die Franzosen eine solche Theilnahmlosigkeit gegen seine Entdeckungen bewiesen, namentlich als er den Vorschlag machte, ganz Paris durch Gas zu erleuchten. Sein Vorschlag wurde von Wenigen beachtet, von Vielen bespöttelt und Lebon theilte endlich das Schicksal so manchen unglücklichen Entdeckers: er hatte sich durch seine Versuche ruinirt, sah sich mit Undank belohnt und gab sich in Verzweiflung darüber 1802 selbst den Tod. Seine Ideen wurden von den Franzosen schnell vergessen.

Erst später, als die Gasbeleuchtung immer mehr Terrain gewann, und die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf sich zog, erinnerten sich die Franzosen ihres Lebons, und sie nahmen für den im Leben verkannten und vernachlässigten Mann die Ehre in Anspruch, der wahre Entdecker des Gases zu sein, behauptend, die Engländer und Deutschen hätten ihm das Geheimniß nur abgelauscht. Nun folgten die Franzosen wohl dem englischen und deutschen Verfahren, aber es zeigte sich bald, daß sie keinen Mann mehr besaßen, der etwas Bedeutendes in diesem Fach geleistet, und als 1816 in einigen Hospitälern von Paris Gasbeleuchtung eingeführt werden sollte, mußten deshalb mehrere Engländer verschrieben werden.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/72&oldid=- (Version vom 9.3.2019)