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Substanzen dargestellt, und erfordert vorzüglich gutes Stabeisen, welches aus Schweden eingeführt wird; doch ist das russische Uralstabeisen von gleicher Güte. Aus Schweden werden ansehnliche Massen von Stabeisen nach England und Frankreich ausgeführt, wo es zu Cementstahl umgearbeitet wird, namentlich in Sheffield und Umgegend. Das Verfahren dabei ist Folgendes: Die Eisenstäbe werden schichtenweise mit Holzkohlenpulver in thönerne Kästen eingelegt und diese dann überall luftdicht verschlossen. Zwei solche Kästen sind in einem Ofen angebracht, der mit Steinkohlen, selten nur mit Holzkohlen, gefeuert wird und sieben bis acht Tage in der Rothgluth bleibt, worauf man ihn erkalten läßt und die fertigen Stahlstangen herausnimmt. Der von dem Sectionsrath Tunner in Loeben direct aus Roheisen hergestellte Glühstahl hat ebenfalls viel Vorzügliches an sich.

Der Rohstahl sowohl, wie der Cementstahl lassen sich wegen ihrer Ungleichartigkeit nicht direct verarbeiten, sondern sie müssen noch einem Prozeß unterworfen werden, entweder werden die Stahlstangen durch wiederholtes Strecken und Ausschmieden in Gerbstahl verwandelt, oder durch Umschmelzen in Gußstahl, welches die gleichartigste und beste Stahlart genannt werden kann.

Zur Darstellung des Gußstahles giebt es viele Methoden, doch wird er am häufigsten aus Rohstahl, Puddelstahl oder Cementstahl erzeugt, welche in feuerfesten Tiegeln, entweder bei Glühfeuer von Coaks, nur selten durch Holzkohlen, im Windofen, oder mittelst Steinkohlenflammenfeuers in nach Art der Glasöfen construirten Flammengefäßöfen geschmolzen werden. In Steiermark sind Gasflammenöfen bei Feuerung mit Braunkohlen in Anwendung. Schweißbarer, also weniger kohlenhaltiger Stahl, erfordert, da er strengflüssiger ist, eine höhere Temperatur beim Schmelzen, als unschweißbarer. Während des Schmelzens giebt man entweder eine Decke von Glas, mit oder ohne Boraxzusatz oder deckt den Tiegel nur zu, so daß keine Kohlen hineinfallen können, indem der Fluß bei dem Ausgießen des Stahls in die Formen hinderlich sein kann. Die Dauer des Schmelzens hängt von den Oefen, dem Brennmaterial und der mehr oder minderen Strengflüssigkeit des Metalls ab.

Die Tiegel mit der geschmolzenen Masse werden dann mit Bruchzangen aus dem Ofen genommen und in eiserne Barrenformen ausgegossen, deren Oberfläche mit Thon oder fetter Erde bedeckt ist, damit der Stahl beim Erkalten nicht blasig wird. Der geschmolzene Stahl hat auf dem rauhen, feinkornigen Bruche eine graue Farbe, ohne allem Stich ins Blaue und ist mit kleinen runden Löchern von schillernder Oberfläche übersäet. Um ihn daher gleichartig zu machen, werden die Stahlbarren noch warm, oder wieder glühend gemacht, unter Hämmern oder zwischen Walzen ausgestreckt und das so bearbeitete Material heißt alsdann: raffinirter Gußstahl.

Die Gußstahlfabrication erfährt fortwährend wichtige Verbesserungen, wie die Erfindung von Meier in Bochum, größere Gegenstände aus einem Stück zu gießen, wodurch das Schweißen vermieden, dem fraglichen Gegenstand aber eine bei weitem größere Festigkeit gegeben wird.

Wichtig ist auch die Erfindung des Artilleriehauptmanns Uchatius in Wien, den Gußstahl direct aus Roheisen zu erzeugen, wodurch der Preis auf 6½ Thaler auf den Centner vermindert wird. Eine von dem französischen Handelsministerium ernannte Commission erkannte die Trefflichkeit des Uchatiusschen Gußstahls an. – Uchatius entdeckte, daß die Kleinheit der zur Stahlbereitung verwendeten Roheisenstücke von entschiedenem Einfluß auf die Qualität des erzeugten Stahles sei und darauf hin geht sein Verfahren. Sein Proceß beginnt mit der Granulirung des Roheisens, das in Graphittiegeln geschmolzen und dann durch Aufgießen auf bewegtes Wasser granulirt wird. Dieses Granulireisen wird dann mit Gemengen Pulvers von Eisenerz und Magansuperoxyd, auch Stabeisen, je nach der beabsichtigten Qualität, niedergeschmolzen. Man kann so harten, halbharten und weichen Stahl fertigen und zwar in der Zeit von einigen Stunden, während die andere Methode einige Wochen Zeit beansprucht.

Eine eben so wichtige Erfindung ist die von Bessemer, welcher in seinem Flammenofen das Roheisen unmittelbar in Gußstahl, oder auch in Schmiedeeisen verwandelt. Um sieben Centner Roheisen in Schmiedeeisen zu verwandeln, brauchte Bessemer nur 30 Minuten Zeit.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/80&oldid=- (Version vom 9.3.2019)