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Die Verwendung des Gußstahls ist höchst mannichfach. Es wird zu Locomotiv- und Eisenbahnwagenrädern, allen Maschinentheilen, Werkzeugen u.s.w. angewendet; in neuerer Zeit wurden in der Fabrik in Bochum große Glocken aus Gußstahl geliefert, und die jetzt häufigen gezogenen Gußstahlkanonen sind bekannt. Diese Geschütze sind bedeutend leichter als die früheren, und nach dem übereinstimmenden Urtheil von Sachkennern übertreffen sie die besten Bronzegeschütze an Zähigkeit und Härte um mehr als das Doppelte. – Gußstahlkanonen und Gußstahlglocken sind eine deutsche Erfindung.

Die ersten aus Gußstahl gegossenen Kirchenglocken wurden von Meier in Bochum in Paris ausgestellt. Die Sache war so überraschend, daß die Gußstahlnatur dieser Glocken selbst von dem Meister Krupp stark bezweifelt wurde. Meier ließ ohne Weiteres eine von den Glocken in Gegenwart einer Jurycommission zerschlagen und löste alle Zweifel durch Aufschmieden und Abhärten der Scherben.

Unter den deutschen Gußstahlfabriken nimmt die von Friedrich Krupp in Essen die erste Stelle ein. Sie umfaßt gegenwärtig: 161 Schmelz-, Glüh- und Cementiröfen; 12 Dampfmaschinen von 4 bis 200 Pferdekräften; 7 Dampfhämmer von 7 bis 150 Centner; 2 Aufwerfhämmer von 10 und 20 Centner; 1 Schwanzhammer von 1½ Centner; 45 Schmiedeessen; 57 Drehbänke; 18 Hobelmaschinen; 15 Fräsbänke; 10 Bohrmaschinen und 5 Schleifbänke. Dieselbe erzeugte 1858 7,000,000 Pfund Gußstahl und beschäftigte 1000 Arbeiter. Das Etablissement soll noch weiter ausgedehnt werden.

Auch in unserem Sachsen wendete sich die Aufmerksamkeit bald auf die so wichtige Gußstahlfabrikation und sie wurde auch hier bald eingebürgert. Zuerst betrieb sie neben der Roheisenerzeugung die Königin Maria Hütte zu Kainsdorf, dann aber wurde in Döhlen im plauenschen Grunde ein eigenes, sich nur mit diesem Industriezweige beschäftigendes Etablissement, die „Sächsische Gußstahlfabrik“ gegründet, über welches wir uns später weiter verbreiten werden. – Kleinere mehr oder minder günstig ausgefallene Versuche in der Gußstahlfabrikation und überhaupt Stahlerzeugung sind hin und wieder von einigen der größeren sächsischen Eisenwerke gemacht.




Die Papierfabrik von Grimm und v. Otto in Doberschau bei Bautzen.


Eine Stunde südlich von Bautzen liegt in der Nähe der Spreeufer das uralte Dorf Doberschau mit seinem ansehnlichen Rittergut. In früheren Urkunden wird der Ort Dobrisch oder Dubrisch genannt und man nimmt an, daß er seinen Namen von den hier häufig wachsenden Eichen (dub) erhalten. – Ehemals stand hier die königliche Burg Dobrus, welche schon 1228 urkundlich erwähnt wird, und die der Hauptort eines Burgwarts war. Der Burgberg bezeichnet jetzt noch die Stelle, wo diese längst verschwundene Veste gestanden. – In der Nähe von Doberschau, zwischen diesem Ort und dem Dörfchen Schlungkwitz befindet sich eine zweite historische Merkwürdigkeit, ein alter sorbischer Rundwall, (wendisch Rodschischtscho – alte verfallene Burg) von dem Volk fälschlich Schweden- oder Hussitenschanze genannt, welcher einst von den fleißigen sorbischen Bewohnern der Umgegend sowohl als Opferplatz bei ihren gottesdienstlichen Feierlichkeiten, als auch zur Vertheidigung gegen die übermächtig vordringenden Deutschen benutzt wurde. Dieser Rundwall, hoch über dem Ufer der Spree gelegen, gehört zu den wohlerhaltneren


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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/87&oldid=- (Version vom 9.3.2019)