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Friedrich II. den König Ottokar von Böhmen nebst anderen Besitzungen auch das Schloss Lichtenstein nebst Zubehör überliess. Diese Burg findet sich in späterer Zeit auch bisweilen unter dem Namen Pyrsenstein und Pirschenstein. Im Jahre 1534 fiel die Herrschaft an die obere Linie der Familie von Schönburg und als 1702 in derselben eine brüderliche Theilung stattfand, bildete sich die Lichtensteiner Linie, welche jedoch 1750 mit dem Grafen Wilhelm Heinrich von Schönburg erlosch, worauf die Herrschaft an die Steinsche und Hartensteinsche Linie gemeinschaftlich, und nach Absterben der letzteren im Jahre 1786 an den einzigen, von den 1702 entstandenen Zweigen übrig gebliebenen Lehnserben, den Fürsten Otto Carl Friedrich von Schönburg gelangte. Die Söhne dieses Fürsten beschlossen im Jahre 1813 eine Theilung, bei welcher zu der Herrschaft Lichtenstein geschlagen wurden: Die Städte Lichtenstein und Callnberg, die Dörfer Gersdorf, Bernsdorf, Hohndorf, Mülsen, St. Micheln, Stangendorf und Streitwald (auch Neudörfchen genannt), ein Theil von Oberlungwitz und Mülsen St. Jacob, die Dörfer Rödlitz und Neudörfel, Ortmannsdorf, Schönburgischen Antheils Russdorf und Kuhschnappel.

Das hochgelegene stattliche Schloss wurde im Jahre 1538, wo ein Brand das alte Gebäu vernichtete, von Grund aus neu erbaut. Dasselbe war der Wittwensitz der Gemahlin des im Jahre 1800 im kräftigsten Mannesalter verschiedenen Fürsten Otto Carl Friedrich von Schönburg, dessen Hülle in einem Souterrain des Schlosses beigesetzt wurde. Zur Zeit befindet sich in dem Schlosse das fürstliche Justizamt, in dem höher gelegenen Vorwerke aber das Rentamt.

Die Stadt Lichtenstein zählt etwa vierhundert Häuser, mit dreitausend Einwohnern, die sich hauptsächlich mit Manufakturarbeiten und zum Theil mit Ackerbau beschäftigen. Nach den vielen in und bei der Stadt befindlichen Felsenkellern zu urtheilen muss hier in früherer Zeit auch die Bierbrauerei von Erheblichkeit gewesen sein. Zu der Stadt gehören das westlich von Lichtenstein erbaute Rümpfgut mit einem eleganten Sommerhause und das nördlich von hier befindliche, an der Strasse nach Waldenburg gelegene Schellergut, fünf Mahlmühlen, zwei Bretmühlen und eine Papiermühle. Der diese Mühlen treibende Rödlitzer Bach trennt die Stadt von Callnberg und enthielt früher viele und schöne Forellen.

Die Stadt Lichtenstein ist in den Jahren 1519, 1598, 1610, 1632, 1630, 1755 und 1771 von bedeutenden Feuersbrünsten heimgesucht worden. Im Jahre 1306 fand bei Lichtenstein ein Gefecht statt, in welchem Markgraf Friedrich der Gebissene Friedrichen von Schönburg und dessen Bundesgenossen gänzlich aufs Haupt schlug. Die Kriege des siebzehnten, achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts waren ebenfalls mit grossen Nachtheilen und Beschwerden für Lichtenstein verbunden. Seit 1632 hat die Stadt einen Wochenmarkt, und ausserdem besitzt sie einige Jahrmärkte.

Die hiesige Stadtkirche war früher dem heiligen Laurentius geweiht und brannte 1771 nebst allen öffentlichen Gebäuden und siebzig Bürgerhäusern nieder. In der neuerbauten Kirche befindet sich ein treffliches, vom Hofmaler Vogel herrührendes Altarbild, die Scene enthaltend wo Christus seinen Jüngern ein Kind als Muster vorstellt. Herrlich ist namentlich die Figur des Petrus dargestellt. Zum Modell des Kindes wählte der Künstler den damals im Kindesalter stehenden jetzt regierenden Fürsten Otto Victor. Zu den öffentlichen Gebäuden gehört auch die uralte Hospitalkirche zum heiligen Kreuz. Lichtenstein war ehemals der Sitz des im zehnten Jahrhundert gestifteten, bischöflich Naumburgischen Dekanats trans Muldam, zu welchem dreissig Pfarren gehörten. – In dem östlich von der Stadt, an der Strasse nach Chemnitz hin, liegenden sogenannten Stadtwalde liess der verstorbene Fürst eine sich vierfach kreuzende Allee anlegen und den Weg ebnen. Auf dem höchsten Punkte des Berges hatte man früher eine köstliche Aussicht von einer Spitzsäule, die im Jahre 1800 ein Orkan niederstürzte. Filial von Lichtenstein ist Rödlitz, das Küchengut des Schlosses. Eingepfarrt nach Lichtenstein ist Hohndorf.

O. M.     




Pfaffroda.


Pfaffroda liegt eine Stunde von Sayda und ebenso weit von Olbernhau, 1900 Pariser Fuss über dem Meeresspiegel in einem offenen, nicht allzutiefen Grunde und erstreckt sich von Süden nach Norden bis zu einer freien Höhe hinaus. Das Dorf ist von einer Chaussee durchschnitten, die Freiberg mit Olbernhau verbindet und umschlossen von kleineren Baumgruppen und mit Waldungen bedeckten Höhen. Die Umgegend ist ausserordentlich angenehm, hauptsächlich bieten der nahe Schaafhübel, die westlichen Höhepunkte nach Hallbach und die nördlichen nach Dörnthal hin treffliche Fernsichten. Sehr angenehme Parthieen bilden die Ufer des Bielabaches, der an den südlichen Gebirgswänden bei Sayda entspringt, durch mehrere andere Gewässer, namentlich den Pfaffrodaer Dorfbach und das Mittelwasser verstärkt wird und nach dreistündigem jähen Laufe bei Blumenau in die Flöhe einmündet. Auf dem linken Ufer der Biela liegt ein liebliches Thal, die Hölle genannt. Die Biela windet sich in rascher Fluth dahin, ist reich an Forellen und enthielt sonst Perlmuscheln und Goldkörner. In Pfaffroda befinden sich einhundertzehn Hausnummern, darunter die herrschaftliche Mühle, das Lehngericht‚ der Gasthof, einige Bauergüter‚ die Scharfrichterei und eine Ziegelei, mit

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/139&oldid=- (Version vom 11.6.2017)