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über den Fluss durch einen Aquäduct geleitet ist. Die Berge auf der Wiesenburger Seite sind niedriger aber steiler, als am rechten Ufer, wo in Nordost der 200 Ellen hohe Aschberg ansteigt, an dessen nordwestlichem Abhange jährlich das Schönauer Radschiessen gehalten wird. In Nordost stehen am linken Muldenufer durch eine Allee mit der Hölle verbunden, diejenigen 8 Häuser von Silberstrasse, welche eigentlich die arme Ruhe genannt wurden, später die alte Ruhe getauft worden sind. Die erwähnte Hölle ist ein Gasthaus unterm Schlossfelsen dicht an der Mulde, über welche hier die 70 bis 75 Ellen lange bedeckte Höllbrücke nach Schönau, so wie die Strasse von Kirchberg nach Wildenfels führt. Nach dem nahen unterm Ende von Weissbach führt längs der Mulde hinauf der Narrensteig und schliesst mit dieser zusammen die alte Wörth, eine schöne Wiese mit einem Teiche, ein; die Wiesen unter Schönau hingegen heissen die Auwiesen und auf ihnen soll der Volkssage nach ein Kloster gestanden haben; 2000 Schritt nördlich vom Schlosse im Oberhaselauer Gebirge sind noch Ruinen von einer Burg übrig, von welcher die Geschichte gänzlich schweigt. Vermuthlich ist solche schon zu Zeiten des Faustrechts zerstört und nicht wieder aufgebaut worden.

Durch die früheren und durch den jetzigen Domainenpachter ist die Oeconomie des Gutes von Wiesenburg fast in jeder Art verbessert worden.

Das gesammte Feld suchte man urbar zu machen, legte grosse Bewässerungsgräben an, bestimmte durch Rainsteine die Grenzen des Gutes, vermehrte und verbesserte die ganze Schäferei, so dass die hiesige Wirthschaft wirklich eine Musterwirthschaft geworden ist. Die neuen Wirthschaftsgebäude zeichnen sich mit Brauerei und Branntweinbrennerei vorzüglich aus, so wie auch eine ausgezeichnete Viehmastung existirt.

Der Ort Wiesenburg hat sich in neuern Zeiten sehr gehoben und an Einwohnern[WS 1] zugenommen. Es zählt jetzt 54 bewohnte Gebäude mit 459 Einwohnern. Im Orte befindet sich ein Gasthof, der als Vergnügungsort von Schneebergs Bewohnern, von Zwickauer Bürgern häufig besucht wird. Ein sehr schönes, 3 Etagen hohes, mit herrlichem Garten versehenes Gebäude bewohnte sonst Herr Amtshauptmann von Zeschwitz, welches später ein Kaufmann Krause besass, dem es Herr Medicinalrath D. Unger abkaufte. Zuletzt acquirirte dasselbe Herr Factor Kunz aus Wildenfels.

Der Ort selbst, welcher nach Einziehung des dasigen Amts und nach Errichtung eines besondern Landgerichts in Kirchberg, zu dem letzteren Orte gewiesen worden war, ist dem neuen Gerichtsamte Kirchberg einverleibt geblieben.

Hinsichtlich seiner kirchlichen Verrichtungen ist Wiesenburg nach Schönau verwiesen und der Diöces Zwickau zugetheilt.

Das Schloss Wiesenburg hatte zwar in frühern Zeiten seine eigene Schlosscapelle, in welcher der Pfarrer von Schönau aller 14 Tage Gottesdienst abhalten musste: Durch ein Rescript vom 13. April 1725 hörte diese Einrichtung auf, wurde aber auf eingeholte Königl. Erlaubniss den 30. Sept. 1748 wieder hergestellt. Im Jahre 1803 entdeckte man die Schadhaftigkeit dieser Schlosscapelle, weshalb solche nach angestellten Erörterungen abgetragen werden musste und der Gottesdienst in selbiger aufhörte. Von dieser Zeit an haben die Wiesenburger die Kirche in Schönau besucht.

Die Kirche in Schönau hat eine neue Orgel vom Orgelbauer Trampeli in Adorf. Für das frühere Amtspersonal, für den Rittergutsbesitzer in Silberstrasse und für einen Gutsbesitzer in Schönau sind Kapellen eingebaut.

Diese Kirche ist deshalb sehr merkwürdig, weil in derselben Dr. Luther gepredigt und den ersten protestantischen Geistlichen hier eingeführt haben soll.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Finwohnern
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/228&oldid=- (Version vom 3.6.2018)