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Walther Kabel: Alice Weathers Bekehrung. In: Das Buch für Alle, 45. Jahrgang, Heft 2, S. 40–44 u. 46

zu den Kosten eines Haushalts im Stile Alices nur eine Leutnantsgage von monatlich fünfzig Dollar beizusteuern, das heißt also von dem Gelde meiner Frau zu leben.“

„Danach hätten Sie also das Gefühl, daß – daß Alice sich Ihnen aufdrängt?“ meinte Miß Hopkins etwas spitzen Tones, da sie ihre Sache jetzt verloren gab und ihren Rückzug möglichst geschickt decken wollte. „Ich denke, aus dem Benehmen des Mädchens Ihnen gegenüber spricht das gerade Gegenteil,“ fuhr sie plötzlich sehr von oben herab fort. „Denn einen Mann, den man für sich gewinnen will, behandelt man doch wohl kaum so, wie Alice es mit Ihnen tut.“

„Ansichtssache, Miß Hopkins, reinste Ansichtssache!“ lächelte Sanders ironisch. „Zum Glück stehe ich aber mit meiner Meinung nicht so ganz vereinzelt da, sonst könnte ich mich wahrhaftig für eingebildet halten. Es gibt zum Beispiel eine ganze Menge von meinen Kameraden von der ‚Niagara‘, die steif und fest behaupten, daß Alicens Vergnügungsjacht ‚Ariadne‘ die amerikanische Flotte auf ihrer großen Kreuzfahrt um Kap Horn nur deswegen mit so rührender Ausdauer von Hafen zu Hafen begleitet hat, weil sich eben auf der ‚Niagara‘ unter einer Zahl von zwölf Leutnants gerade der eine befand, der sich während des verflossenen Winters in New York nicht an den Siegeswagen der schönen Besitzerin der ,Ariadne‘ spannen ließ, ihr vielmehr klarmachte, daß ihn ihre auffallenden Bevorzugungen völlig kalt ließen. Und – um ganz ehrlich zu sein, Miß Hopkins – hätte Alice ihre Schwärmerei für meine bescheidene Person nicht so offenkundig gezeigt und mir es dadurch erspart, der Mittelpunkt meist recht neidischer Beachtung zu sein, so wäre vielleicht manches anders gekommen. So aber halte ich mich nur noch für verpflichtet, ihr jene Aufmerksamkeiten zu erweisen, die sie als die Tochter von John Weather zu beanspruchen hat. Aus demselben Grunde habe ich mich auch nur herbeigelassen, jetzt täglich in meiner dienstfreien Zeit einen Sport zu betreiben, der für einen an Bewegung gewöhnten Seemann kaum eine Erholung sein kann.“

Harry Sanders führte mit seinem Rakett bei den letzten Worten einen so kräftigen Schlag gegen einen nicht vorhandenen Ball, daß die nervöse Dame neben ihm ängstlich zusammenzuckte.

„Außerdem glaube ich, verehrteste Freundin, daß Alice in dem neuen Kapitän der ,Ariadne’ jetzt einen ergebeneren Sklaven für ihre Launen gefunden hat, als ich es ihr je gewesen bin. Für diesen William Harper muß die Zutraulichkeit und Liebenswürdigkeit seiner Gebieterin allerdings sehr schmeichelhaft und sehr berückend sein. Ich fürchte nur, Ihr Schützling wird mit diesem Manne noch schlechte Erfahrungen machen. Der Mensch hat etwas in seinem Blick, das mich stört, mich geradezu abstößt. Seine aalglatte Geschmeidigkeit und Untertänigkeit läßt ebenfalls auf keinen besonders gefestigten Charakter schließen.“

Diese letzten Sätze klangen so erregt, daß Miß Hopkins ihren Nachbar erst ganz erstaunt ansah, dann aber in ein lautes Lachen ausbrach. „Also eifersüchtig ist man – sieh da!“ meinte sie dann. „Ihr Herz ist demnach doch nicht so ganz unberührt geblieben, wie Sie es mir vormachen wollen. Diese Entdeckung läßt mich jetzt wieder hoffen – worauf, wissen Sie ja. Aber dem guten Kapitän tun Sie trotz alledem unrecht. Gewiß, ein unparteiisches Urteil kann man unter diesen Umständen von Ihnen kaum verlangen, wenn ich mich auch wundere, daß ein so kühl abwägender Geist wie der Ihre sich durch derartige rein persönliche Empfindungen beeinflussen läßt.“

„Sie irren, Miß Hopkins,“ sagte Sanders schon wieder in seiner gewohnten, ruhigen Art. „Meine Abneigung gegen Harper hat einen sehr triftigen Grund, den ich allerdings bisher verschwiegen habe, um nicht in den Verdacht zu kommen, irgendwie voreingenommen zu sein. Ich halte mich jetzt sogar für verpflichtet, Ihnen meine Beobachtungen mitzuteilen, da ich annehme, daß Alice tatsächlich morgen mit der ,Ariadne‘ San Franzisko verlassen wird, und ich sie nicht ungewarnt lassen möchte. Sie können ihr in meinem Namen das Nötige berichten, falls Sie es für notwendig halten sollten. Harper erinnert mich nämlich nur zu sehr an einen Menschen, den ich einmal – es war vor zwei Jahren – unter ganz besonderen Umständen zu Gesicht bekam. Ich gehörte damals zum Stabe des Kreuzers

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Alice Weathers Bekehrung. In: Das Buch für Alle, 45. Jahrgang, Heft 2, S. 40–44 u. 46. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1910, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alice_Weathers_Bekehrung.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)