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Ueber Flußschifffahrt, insbesondere die Kettenschifffahrt.
Aus Armengaud Ainé, Publication Industrielle.
(Mit Zeichnungen auf Blatt 745.)
1. Einleitung.

Das einfachste Mittel, die Schiffe in einem Flusse aufwärts zu bewegen, besteht bekanntlich darin, daß man sie durch Menschen oder Pferde,[1] welche auf einem Leinpfad gehen, ziehen läßt.

Dieser Zug ist nun um so unvortheilhafter, je weiter der Leinpfad von dem Wasserweg entfernt liegt, und da diese Entfernung wechselt, einmal klein und dann wieder sehr groß wird, so muß die Zugkraft nach der größten Entfernung bemessen werden; es geht daher in doppelter Beziehung an Kraft verloren.

Die Unvollkommenheit dieser Einrichtung führte schon längst auf die Anwendung der Schleppdampfschiffe, an welche die Schleppkähne mit ihren Lasten angehängt werden. Allein diese Dampfschiffe können nur auf größeren Flüssen oder Strömen mit Vortheil arbeiten, wo sie geringe Strömung und größere Wassertiefen finden; in kleineren Flüssen, welche starke Strömung und nur eine Wassertiefe von 50 bis 60 Centim. haben, lassen sie sich gar nicht anwenden.

In solchen Flüssen bedient man sich meist noch der unvollkommenen Einrichtung durch directen Zug und es wäre eine Aufgabe für den Hydrotekten,[WS 1] ein einfaches Mittel zu finden, wie diese Einrichtung vortheilhaft ersetzt werden könnte.

Für Flüsse, bei welchen der Thalweg nicht häufig wechselt, und welche bei ziemlich gleichförmiger Tiefe keine zu starke Krümmungen machen, ist bereits das Mittel durch die Kettenschifffahrt gefunden, eine Einrichtung, welche darin besteht, daß in den Thalweg des Flusses eine Kette gelegt und mit beiden Enden gegen die Sohle befestigt wird, und daß diese Kette über eine oder zwei auf einem Schiffe angebrachte Cylinder oder Trommeln geht, welche durch die bewegende Kraft in Umdrehung gesetzt werden.

Es ist leicht begreiflich, wie dieses Schiff an der Kette sich hinaufwindet, wie die Kette dabei nur vorn in die Höhe steigt, dagegen hinten sich wieder in den Fluß hineinlegt und somit nur auf eine verhältnißmäßig kurze Strecke sichtbar ist, wie ferner die bewegende Kraft, da sie das Schiff sammt den angehängten Lastkähnen gegen einen festen Punkt anzieht und fortbewegt, weit vortheilhafter wirkt, wie bei dem Schleppdampfschiff, das sich in dem Strom ohne festen Stützpunkt hinaufarbeiten muß, wodurch viel Kraft verloren geht, wie endlich der Zug weit günstiger sein muß, wie von einem Leinpfade ausgehend, da er in der gleichen Richtung mit der Kette und folglich auch mit der Strömung thätig ist.

Schon vor langer Zeit beschäftigte man sich mit ähnlichen Einrichtungen wie die heutige Kettenschifffahrt, allein man benutzte nicht die Kraft des Dampfes, sondern die der Pferde, indem man Pferdegöpel auf die Zugschiffe stellte und sich an einem Seile gegen einen festen Punkt hinzog.

Der erste Versuch wurde wahrscheinlich im Jahre 1732, sodann in etwas größerem Maßstabe im Jahre 1820 zu Lyon auf der Saône durch Tourasse und Courteaut angestellt.

Hier hatte man aber keine durchlaufende Kette, sondern es war ein Seil von ziemlicher Länge mit einem Ende an dem Ufer befestigt, während das andere Ende seine Befestigung an der auf dem Schiffe angebrachten Welle oder Trommel fand; sobald nun das Seil ganz aufgewunden war, mußte es wieder abgerollt und weiter oben befestigt werden.

Die Resultate waren schon mit diesen unvollkommenen Pferdegöpeln so befriedigend, daß man die Idee faßte, ähnliche Schiffe auf dem Rhône gehen zu lassen, aber dabei nicht die Pferde-, sondern die Dampfkraft anzuwenden. Es wurden in Folge dessen im März 1822 zwei Versuchsreisen zwischen Givors und Lyon angestellt. Der Effect war, während 18 Stunden Bergfahrt, 170 Tonnenmeters für jede Reise. Die Geschwindigkeit betrug 1 Kilom. in der Stunde und das Seil hatte eine Länge von 2000 Metern und eine Stärke von 56 Millimetern. Dabei war aber die Einrichtung die, daß man das Seil in zwei Theile theilte, und während die ersten 1000 Met. mit dem Schiffe durchlaufen


  1. Pferde ziehen bei 1 Meter Geschwindigkeit mit 40 bis 80 Kil.; der Zug eines Mannes ist 1/8 davon.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Begriff Hydrotekt steht für Wasserbaumeister.
Empfohlene Zitierweise:
M.B. : Ueber Flußschifffahrt, insbesondere die Kettenschifffahrt. Allgemeine Bauzeitung, Wien 1865, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Bauzeitung_Wien_1865_p193.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)