selbst gelassenen Zustande ihrer Wirksamkeit, hervorbringen: wenn man, sage ich, dieses erweget, so wird die Natur uns würdiger, als sie gemeiniglich angesehen wird, erscheinen, und man wird von ihren Auswickelungen nichts, als Übereinstimmung, nichts als Ordnung, erwarten. Wenn man hingegen einem ungegründeten Vorurtheile Platz lässet, daß die allgemeine Naturgesetze, an und vor sich selber, nichts als Unordnung zuwege bringen, und aller Uebereinstimmung zum Nutzen, welche bey der Verfassung der Natur hervor leuchtet, die unmittelbare Hand GOttes anzeiget: so wird man genöthiget, die ganze Natur in Wunder zu verkehren. Man wird den schönen farbigten Bogen, der in den Regentropfen erscheinet, wenn dieselben die Farben des Sonnenlichts absondern, wegen seiner Schönheit, den Regen, wegen seines Nutzens, die Winde, wegen der unentbehrlichen Vortheile, die sie in unendlichen Arten der menschlichen Bedürfnisse leisten; kurz, alle Veränderungen der Welt, welche Wohlanständigkeit und Ordnung mit sich führen, nicht aus den eingepflanzten Kräften der Materie herleiten sollen. Das Beginnen der Naturforscher, die sich mit einer solchen Weltweisheit abgegeben haben, wird, vor dem Richterstuhle der Religion eine feyerliche Abbitte thun müssen. Es wird in der That alsdenn keine Natur mehr seyn; es wird nur ein GOtt in der Maschine die Veränderungen der Welt hervor bringen. Aber, was wird denn dieses seltsame Mittel, die Gewißheit des höchsten Wesens aus der wesentlichen Unfähigkeit
Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Johann Friederich Petersen, Königsberg und Leipzig 1755, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Naturgeschichte_und_Theorie_des_Himmels.djvu/210&oldid=- (Version vom 31.7.2018)