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daß sie jeden Augenblick durch die Vorstellungen von ihrer abscheulichen Sünde, die sich ihnen wider ihren Willen aufdrangen, unterbrochen wurden, und daß sie daher nur immer halb sich dessen bewußt waren, womit ihre Seele sich beschäftigte. Ihr Gedächtniß, das sonst ja in der Jugend am stärksten ist, war so äusserst geschwächt, daß sie sich auf das eben Gelesene, oder Gehörte, nicht besinnen konnten. Ihre Einbildungskraft war so zerrüttet, daß sie wachend und schlafend nichts als unschaamhafte Bilder sehen konnten. In ihrem Herzen erlosch jede Empfindung für das Gute, jedes Gefühl für das Schöne in der Natur, das doch dem Menschen so viele frohe Stunden verschaffen kann. Keine schöne Gegend, kein sternenheller Himmel, nicht die aufgehende Sonne, nicht die Blumen im Thal machten einen Eindruck auf sie. Ein inneres Bewußtseyn ihrer eigenen Untauglichkeit zu allen nützlichen Beschäftigungen und ihres Unvermögens, sich irgend einem Menschen angenehm zu machen, zog sie immer mehr von Menschen und ihrer Gesellschaft ab. Wie mancher, der sich seiner Schande bewußt gewesen ist, mag auch wol gefürchtet haben, man mögte sein Verbrechen in seinem Angesichte lesen; denn wenn man etwas

Empfohlene Zitierweise:
Johann Friedrich Oest: Nöthige Belehrung und Warnung für Jünglinge und solche Knaben, die schon zu einigem Nachdenken gewöhnt sind. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens, Heft 6. Schulbuchhandlung, Wolfenbüttel 1787, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Revision_des_gesammten_Schul-_und_Erziehungswesens_6.pdf/359&oldid=- (Version vom 31.7.2018)