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die Macht, Zinsen zu gebären und immer wieder zu gebären, bis die gesamte Menschheit dem internationalen Leihkapital restlos zinspflichtig geworden ist.

Diese drei Punkte sind es also, die uns zum erstenmal klar machen, wo allein wirksam der Hebel anzusetzen ist für die Linderung unserer internen Finanznot. Zum andern erkennen wir, daß der Sturmlauf der gesamten sozialistischen Gedankenwelt gegen das industrielle Kapital vollkommen verfehlt ist, weil auch eine gedachte vollkommene Wegsteuerung oder Sozialisierung des gesamten Unternehmergewinnes – ungeschwächte Wirtschaft vorausgesetzt – einen lächerlich geringen Betrag ergeben würde, gemessen an den ungeheueren finanziellen Lasten unseres Reichs- und Staatsbudgets.

Durch die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes kann mit einem Schlage die ganze Finanzmisere beseitigt werden; mit einem Male fühlen wir wieder festen Boden unter den Füßen; mit einem Male muß es uns und wird es uns klar werden, daß wir uns mit dieser unglückseligen Anleihewirtschaft nur selber in geradezu grotesker Weise angelogen haben. –

Was ist denn Leihkapital anderes, als Schulden! Leihkapital sind Schulden! – das kann man gar nicht oft genug wiederholen. Die Kriegsanleih[e] war ein mammonistischer Schwindel. Was ist es für ein Wahnsinn, wenn das deutsche Volk in seiner Gesamtheit für seinen Krieg 150 Milliarden gepumpt hat; sich selbst hiefür eine Zinszahlung von 71/2 Milliarden versprochen hat und nun sich in die von vornherein selbstverständliche Verlegenheit versetzt fühlt, diese 71/2 Milliarden in Gestalt von geradezu phantastischen Steuern bei sich einzutreiben. Das tragische an diesem Selbstbetrug ist indes weniger die Dummheit dieser ganzen Kriegsanleihewirtschaft, auf die wir uns dem Ausland gegenüber immer so viel zu gute getan haben, als vielmehr die Tatsache, daß lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Großkapitalisten einen ungeheuren Nutzen daraus zieht und das gesamte arbeitende Volk einschließlich den mittleren und kleineren Kapitalisten, sowie einschließlich von Handel und Gewerbe und Industrie die Zinsen bezahlen müssen. Und hier tritt die politische Seite des ganzen Gedankens zu Tage. Hier können sie erkennen, daß tatsächlich das Großleihkapital und nur dieses der Fluch der gesamten arbeitenden Menschheit ist. Man mag das Ding drehen und wenden wie man will, immer muß die Masse aller werktätigen [sic! Werktätigen] für die Leihkapitalzinsen letzten Endes aufkommen. – Die mittleren und kleineren Kapitalisten haben nichts

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/21&oldid=- (Version vom 6.10.2017)